Wie Saur Dadajew da durch diesen Käfig tigerte, gereizt nervös, zersaust, wirkte er auf den ersten Blick eher wie einer dieser verrückten Streuner, die auf der Straße vor dem Weltuntergang warnen. Vielleicht war dieser Eindruck auch beabsichtigt, als Dadajew bei seiner Anhörung wie ein Tier vorgeführt wurde. Eine Woche nach den tödlichen Schüssen auf den russischen Oppositionellen Boris Nemzow präsentierten die Ermittler neben dem angeblich geständigen Saur Dadajew fünf weitere Verdächtige, von denen einige ein Alibi haben wollen und einer sich in die Luft sprengte.
Viel ist von den Männern nicht bekannt. Außer, dass sie aus dem Nordkaukasus kommen, einer überwiegend von Muslimen bewohnten Unruheregion, in der sich der russische Staat seit vielen Jahren mit Separatisten und Islamisten bekriegt. Dort kommt es immer wieder zu Anschlägen von Extremisten. Dass hinter dem Mord an Nemzow radikale Muslime stecken sollen, wurde relativ schnell nach der Tat von den russischen Behörden gemutmaßt. Als Grund wurde unter anderem seine Solidaritätsadresse an die Opfer des Charlie-Hebdo-Anschlags genannt.
Als gesichert gilt bislang folgendes:
- Saur Dadajew
Ist von den beschuldigten Männern bislang der einzige, der laut Gericht geständig ist. Dadajew wurde 1982 in Inguschetien geboren und lebte lange in Malgobek, einer Stadt in der Nachbarrepublik Tschetschenien. Der dortige Herrscher, der moskautreue Ramsan Kadyrow, sagte über ihn: "Alle, die Saur kennen, werden bestätigen, dass er ein tiefgläubiger Mensch ist und dass er - wie alle Muslime - über die Veröffentlichungen von Charlie und die Unterstützung des Drucks von Karikaturen schockiert war." Dadajew war früher offenbar Vizechef der tschetschenischen Eliteeinheit "Sewer". Die gehört zu den Truppen des russischen Innenministeriums und gilt als Leibgarde des Autokraten Kadyrow, die in seinem Namen willkürlich Gewalt ausüben soll. Laut der Nachrichtenagentur Tass wurde Dadajew vom Innenministerium in Moskau für seinen Mut ausgezeichnet. Der tschetschenische Präsident selbst sagte über seinen Instagramm-Account, dass er die Festnahme nicht verstehe, da Dadajew "ein echter russischer Patriot" und verdienter Soldat gewesen sei. - Die Gubatschew-Brüder
Sind Cousins von Saur Dadajew. Sie wurden zusammen mit ihm festgenommen, bestreiten aber die Tatbeteiligung. Der ältere der beiden, Ansor Gubatschew, soll für einen privaten Sicherheitsdienst in Moskau gearbeitet haben. Sein 31-jähriger Bruder Schachid lebte ebenfalls in Moskau und arbeitete als Lkw-Fahrer. - Tamerlan Eschkerkanow
Der 34-jährige Verdächtige sagte aus, dass er während der Tatzeit wie üblich bei der Arbeit gewesen sei. Seiner Aussage nach, gebe es Kollegen, die das bestätigen könnten. - Ramsan Bakhayew
Über den 45-Jährigen ist bislang nichts bekannt. - Beslan Shavanov
Der 30-Jährige wurde in einem Gebäude in Grosny gestellt. Er versuchte zu fliehen und bewarf die Sicherheitsleute mit einer Handgranate. Anschließend sprengte er sich selbst in die Luft.
Ob die nun vorgeführten Männer tatsächlich die Täter sind, und wenn ja, aus welchen Gründen sie so gehandelt haben, sollen die weiteren Ermittlungen zeigen. Weggefährten von Nemzow jedenfalls bezweifeln den islamistischen Hintergrund des Attentats. "Die Nonsens-Theorie der Ermittler über islamistische Motive beim Mord an Nemzow nutzt dem Kreml und nimmt Wladimir Putin aus der Schusslinie", sagte Ilja Jaschin, neben Nemzow Co-Vorsitzender der kleinen oppositionellen Liberalen Partei in Russland. Der Mordschütze werde angeklagt, aber seine Auftraggeber würden ungeschoren davonkommen, so der Oppositionelle weiter.