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Nach Prism-Skandal Studenten nehmen NSA ins Kreuzverhör

Eigentlich wollte die NSA nur Nachwuchs an der Schule anwerben. Doch die Schüler und Studenten sind wütend, die Reklametour wird zum Verhör: Auf die Beamten prasseln unbequeme Fragen nieder.
Von Katharina Grimm

Nein, Deutschland sei natürlich kein Feind, sagt die NSA-Mitarbeiterin. Überhaupt, Gegner und Feinde seien vielleicht auch die falschen Begriffe. Besser träfe es: Ziel. Sagt sie. Das klingt besser, hofft sie wohl. Ziel klingt nicht so politisch wie Feind. Noch vor wenigen Wochen waren diese Recruitment Sessions, die Nachwuchs-Suche an Schulen und Universitäten, sicherlich eine schöne Aufgabe. Schließlich ist es auch aufregend für die NSA, die National Security Agency, zu arbeiten. Der Job beim Nachrichtendienst sei berauschend - und danach würde man sich schick anziehen und an der Bar sitzen und Karaoke singen, hat die NSA-Frau erklärt. Klingt ganz easy, ganz locker. NSA - das muss ein toller Arbeitsplatz sein. Doch dann packte der Whistleblower Edward Snowden aus.

Schweres Geschütz

Jetzt will niemand mehr die Lobgesänge auf die Jobs beim NSA hören. Die beiden NSA-Mitarbeiter sitzen in einer High School im Bundestaat Wisconsin und die Schüler haben Fragen - unbequeme, kritische und auch wütende Fragen. Während sich in Deutschland langsam Empörung breitmacht, nutzen die Schüler den Moment und konfrontieren die NSA-Mitarbeiter mit schweren Vorwürfen. "Mit Gegner meinen Sie also alle und jeden. Nach ihrer Definition gibt es niemanden, der kein Feind ist." Rums, das sitzt. Die Provokation kommt von einer Studentin, die bei der Veranstaltung dabei ist. Auch fünf Schüler sind gekommen, fein haben sie sich gemacht, mit Anzug und Schlips. Und irgendjemand schneidet das Gespräch mit dem Handy mit.

Die Tonqualität ist miserabel, doch der Inhalt hat es in sich. Niemand will etwas über das leichte Leben mit den Drinks an der Bar und der Karaoke-Trällerei hören. Viel spannender: Was muss man eigentlich an Qualifikationen mitbringen, um letztendlich Whistleblower werden zu können, fragt eine Schülerin. "Ich glaube, dass sich die Edward Snowdens und Bradley Mannings und Julian Assanges durchsetzen werden." Zack, noch ein Schuss gegen den Bug der NSA-Leute. Zittrig beginnt die Mitarbeiterin: "Ich bin mir nicht sicher, was ...". Der Satz verebbt. Und geht in der nächsten Konfrontationswelle unter: Ob die Herrschaften denn mal über die Auswirkungen, die ihre Arbeit habe, nachdenken würden?

Arbeiten bei der NSA nur Lügner?

Die Mitarbeiter, ein eher mütterlicher Typ mit roten Locken und ein stattlicher Mann mit schütterem Haar, straucheln durch den Termin. Die Schüler sind gut informiert und fahren immer schärfere Geschütze auf: Warum US-Geheimdienstkoordinator James Clapper und Keith Alexander, Direktor der NSA, lügen würden? Ob das insgesamt eher ein Job für Lügner sei? Ob die beiden auch selbst prima lügen könnten?

Die Mitarbeiter versuchen den Schwarzen Peter den Politikern zuzuschieben – sie hätten ja lediglich die Anordnung ausgeführt. Was mit den Daten gemacht werde, liege in den Händen der Entscheidungsträger. Und überhaupt: "Das ist nicht mein Fachgebiet", versucht sich die NSA-Frau aus dem Angriff herauszuwinden. "Und mir ist es egal, welche Rolle sie innerhalb der NSA spielen. Sie sind hier, sie repräsentieren die NSA und sie versuchen junge Menschen davon zu überzeugen, dass die NSA eine attraktive Option bietet", sagt die Studentin. Und das, obwohl die NSA nur Lügen aufgetischt hätte. "Da frage ich mich schon, ob das eine Qualifikation darstellt."

Frage der Verantwortung

Das Erstaunliche: Die Schüler fokussieren ihre Fragen bei Weitem nicht auf die USA. Nicht die Sorge um die eigenen Daten treibt sie an. Sie ergreifen Partei für Deutschland und den Rest der Welt. Ihre Fragen sind nicht technisch: Wie wurde abgehört, welche Befehlskette ging dem voraus? Nein, sie attackieren die beiden Mitarbeiter mit moralischen Vorwürfen, mit der Frage nach Verantwortung. Und deren Reaktion? Erschreckend ahnungslos, nahezu naiv und eingeschüchtert reagieren sie auf die Anschuldigungen. Sie könnten einem fast leidtun, aber nur fast: Denn auch sie sind ein Zahnrad in der Abhörmaschinerie von Schnüffel-Gate.

Edward Snowden ist mit dem Wissen um alle Konsequenzen ausgestiegen. "Sie sind so Menschen, die nach der Arbeit nicht mit ihren Frauen über das sprechen, was sie den ganzen Tag tun", sagt ein Student verächtlich. Beispielsweise über die "terroristische Bedrohung", sagt er weiter. Und fügt sarkastisch hinzu: "Aber lassen Sie uns alle noch mehr über das Karaoke-Singen wissen!"

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