In der nordirischen Provinzhauptstadt Belfast ist es in der dritten Nacht in Folge zu gewalttätigen Ausschreitungen protestantischer Extremisten gekommen. Wie die Polizei in der Nacht mitteilte, wurden die Sicherheitskräfte mit Steinen, Brandbomben und Feuerwerkskörpern angegriffen; erneut gingen Autos in Flammen auf. Auch eine Polizeistation sei mit Benzinbomben attackiert worden. Ein Polizist sei durch einen Steinwurf am Kopf verletzt worden, hieß es.
Schon am Wochenende war es in Belfast zu den schwersten Unruhen seit zehn Jahren gekommen. Mehr als 50 Polizisten wurden verletzt. Hunderte protestantische Extremisten lieferten sich mit 2000 Soldaten und Polizisten blutige Straßenschlachten. Der britische Nordirlandminister Peter Hain verurteilte die Unruhen. Es handele sich um "organisierte Gewalt" mit dem Ziel, Polizisten zu töten, sagte Hain der BBC. 21 Menschen wurden festgenommen.
Umgeleiteter Marsch als Auslöser
Auslöser der Krawalle war die amtlich verfügte Umleitung eines traditionellen Marsches des protestantischen Oranierordens. Damit sollte verhindert werden, dass es bei dem Umzug der pro-britischen Protestanten durch vorwiegend katholische Wohngebiete zu Zusammenstößen kommt. Während des Marsches griffen Extremisten jedoch Sicherheitskräfte an, die den Umzug begleiteten.
Der Oranier-Orden feiert mit seinen Märschen durch nordirische Ortschaften einen Sieg protestantischer über katholische Truppen im 17. Jahrhundert. Der Ausgang sicherte den Protestanten den britischen Thron und legte den Grundstein für die Jahrhunderte lange Unterdrückung der katholischen Bevölkerung Irlands. Jedes Jahr erinnern die protestantischen Oranier an die entscheidende Schlacht, die im Juli 1690 am Boyne-Fluß zwischen Truppen des niederländischen, protestantischen Königs Wilhelm von Oranien und des katholischen Schotten-Königs Jakob II. ausgefochten wurde.
Sie ziehen den ganzen Sommer über in 2500 Märschen durch die Gemeinden und bekräftigen unter den Rufen "Keine Kapitulation" und "Keinen Zentimeter" ihre Ansprüche. Die Nachfahren protestantischer englischer Bauern wehren sich gegen Bestrebungen, die von Großbritannien regierte nordirische Provinz Ulster wieder mit dem katholischen Irland zu vereinen. Dem nordirischen Oranier-Orden gehören etwa 80.000 Mitglieder an, darunter zahlreiche einflussreiche Politiker. Auch in Schottland, Irland, Kanada und Neuseeland gibt es Oranier-Orden.
Provozierende Auftritte
Wenngleich die Oranier in ihren Paraden eine friedliche Demonstration ihres Nationalstolzes sehen, fühlen sich viele Katholiken auch heute noch durch die Auftritte provoziert. Die Demonstranten tragen Schärpen und Bowler-Hüte und führen historische Schwerter, Piken und religiöse Spruchbänder mit sich. Sie blasen den Dudelsack und schlagen die Siegestrommeln, deren dumpfer Klang die katholischen Iren an das Gefühl erinnern soll, Fremde im eigenen Land zu sein.