Notfallplan für Griechenland Eiserne Merkel stellt sich der EU

Von Mirjam Hecking, Brüssel
Der Streit um Nothilfen für Griechenland entzweit die EU wie kaum zuvor. Im Kreuzfeuer steht vor allem Angela Merkel, die sich bislang gegen konkrete Ankündigungen wehrte. Beim heutigen EU-Gipfel in Brüssel kommt es zum Showdown.

Am Brüsseler Platz Rond-Point Schuman scheint alles bereit für den Gipfel: Die Übertragungswagen parken schon vor dem Ratsgebäude. Am Straßenrand stehen meterweise Absperrgitter. Und auch die stacheldrahtbewehrte Straßensperre wartet schon auf ihren Einsatz. Im Gebäude, wo sich nun die europäischen Staats- und Regierungschefs treffen werden, um über die Zukunft Europas zu beraten, sieht es nicht anders aus: Telefonleitungen sind verlegt, Monitore aufgestellt. Die Schreibtische stehen in Reih und Glied. Alles ist wohlgeordnet.

Doch der Schein trügt. Hinter den Kulissen gähnt eine gigantische Baustelle. Wenige Stunden vor dem Gipfel steht nicht einmal die genaue Agenda des Treffens fest. Klar ist nur, dass es um Beschäftigung, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik und die Klimapolitik nach Kopenhagen gehen wird.

Doch wird es, wie von einigen Regierungschefs wie dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero angedacht, vor dem Gipfeltreffen eine Zusammenkunft der Regierungschefs der Eurozone geben? "Noch nicht entschieden", hieß es aus dem Umfeld von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Ebenso ist unklar, ob die Staats- und Regierungschefs bei dem Gipfel ein konkretes Hilfsangebot für Griechenland präsentieren werden. "Wir haben noch 24 Stunden."

Merkel im Kreuzfeuer

Es herrscht Uneinigkeit wie selten. Im Kreuzfeuer dabei steht vor allem Angela Merkel. Die Kanzlerin wehrt sich seit Wochen dagegen, den Griechen ein konkretes Hilfsangebot zu machen, "Geld ins Schaufenster" zu legen, wie es ihr Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle zu Wochenbeginn formulierte. Griechenland habe ja noch gar nicht um Geld gebeten, heißt es gebetsmühlenartig aus Berlin. Der Reformdruck dürfe nicht durch zu frühe Zusagen gelockert werden.

Gründe für ihre Zurückhaltung hat Merkel viele - und das nicht nur, weil im Mai in Nordrhein-Westfalen gewählt wird und die Umfragewerte der Union massiv sinken. Man will keinen Präzedenzfall schaffen. Weitere potenzielle Pleitekandidaten gibt es ja genug. So senkte die Ratingagentur Fitch jetzt ihre Bewertung für Portugal. Und auch Großbritannien wird von vielen als nächster möglicher Pleite-Patient gehandelt.

Anti-griechische Medienkampagne

"In kaum einem anderen Land sind Hilfen für Griechenland so umstritten wie in Deutschland - was nicht zuletzt auch populistischen Medienkampagnen geschuldet ist ", sagt Thomas Klau vom Europäischen Think Tank European Council on Foreign Relations. Schließlich ist unbestritten, dass die Griechen über Jahre falsche Angaben gemacht haben, Korruption und Steuerhinterziehung an der Tagesordnung sind. Aber auch, dass die Regierung erkannt hat, dass an rigorosen Sparmaßnahmen kein Weg vorbeiführt.

Hatten die Staats- und Regierungschefs noch bei ihrem Sondergipfel im Februar mit der Ankündigung, Griechenland im Notfall zur Seite zu stehen, Einigkeit demonstriert um die Märkte zu beruhigen, war die Kommunikationsstrategie in den darauf folgenden Wochen in sich zusammengebrochen. Fast täglich gab es neue Vorstöße. Vorschläge werden diskutiert und wieder verworfen - und der Euro sackte zwischenzeitlich auf den niedrigsten Stand zum Dollar seit zehn Monaten.

Phasenweise schien das Ganze in einen deutsch-griechischen Kleinkrieg auszuarten. Erst vor wenigen Tagen warf der griechische Vize-Regierungschef Theodoros Pangalos Deutschland wieder vor, im Interesse seiner Exportindustrie auf einen schwachen Euro hinzuarbeiten, während die "Bild"-Zeitung forderte: "Frau Merkel, bleiben Sie bei ihrem Nein."

Fatale Folgen für die Währungsunion

Doch Deutschland steht allein. Ein Nein zur Veröffentlichung eines Notfallplans wollen die meisten anderen Mitgliedsländer und mittlerweile auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso nicht mehr akzeptieren. Sie fürchten, dass ein weiteres Zögern fatale Folgen für die Währungsunion haben könnte. "Der kritische Moment kommt jetzt", ist auch Wirtschaftsexperte Jakob von Weizsäcker vom Brüsseler Think Tank Bruegel überzeugt. "Nein ist not an answer" titelte die "Financial Times". Das geladene Gewehr müsse auf den Tisch, um sicherzustellen, dass die Finanzmärkte angemessen reagierten, forderte Premier Giorgos Papandreou klipp und klar. Ansonsten gehe man eben zum IWF.

Eine Drohung die in Berlin auf offene Ohren stieß. Denn anders als in anderen Ländern ist man hier einer solchen Lösung durchaus nicht abgeneigt. Zwar gibt es in der EU viele, die den Gang zum Internationalen Währungsfonds als klares Zeichen sehen, dass sich die EU nicht selbst helfen kann und den Einfluss Washingtons fürchten. Und auch die EZB steht einer Beteiligung des IWF kritisch gegenüber.

Sarkozy scheint einzulenken

Doch der Widerstand bröckelt. Und sogar der französische Staatschef Nicolas Sarkozy scheint mittlerweile auf den deutschen Kurs einzulenken. Der sieht offenbar für den Fall vor, dass Griechenland daran scheitern sollte, sich selbst Geld auf dem Kapitalmarkt zu besorgen, einen Kredit des Internationalen Währungsfonds vor. Ergänzt werden könnte das ganze dann durch freiwillige Hilfen einiger EU-Länder.

Europarechtlich wären solche bilateralen Hilfen, die beispielsweise von der KfW kommen könnten, nach Ansicht von Experten unbedenklich. Was bleibt ist das finanzielle Risiko. Und die Gefahr, dass Griechenland nur der Anfang ist.