Erstmals seit 18 Jahren wird wieder ein Sozialdemokrat österreichisches Staatsoberhaupt. Bei der Direktwahl des Bundespräsidenten setzte sich am Sonntag der 65-jährige Heinz Fischer nach Hochrechnungen knapp gegen seine Mitbewerberin, Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, durch. Der Fernsehsender ORF ermittelte 52,8 Prozent der Stimmen für den langjährigen Parlamentspräsident, ATVlus 51,5 Prozent. Die regierende konservative ÖVP räumte die Wahlniederlage ihrer Kandidatin ein.
Fischer hat bei den heute oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) Karriere gemacht. Der auf Verfassungsrecht spezialisierte Jurist arbeitete sich in der SPÖ-Parlamentsfraktion Zug um Zug nach oben und wurde nach einem Zwischenspiel als Forschungsminister Fraktionschef. Von 1990 bis zum Verlust der SPÖ-Mehrheit 2002 war er Parlamentspräsident. In dieser Zeit erwarb sich den Ruf, ausgleichend und - wenn es das Amt erforderte - auch überparteilich zu agieren.
Hintergrund: Bundespräsident in Österreich
Das bisherige Staatsoberhaupt Thomas Klestil konnte nach zwei mal sechs Jahren in der Wiener Hofburg nicht mehr antreten. Seine Amtszeit endet am 8. Juli. Anders als in Deutschland wird der Bundespräsident in Österreich direkt vom Volk gewählt. Nach der Verfassung ist das Staatsoberhaupt Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat auch Mitwirkungsrechte bei der Regierungsbildung.
Opposition gratuliert
Bei den oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) herrschte am Sonntagabend Jubel. SPÖ-Bundesgeschäftsführer, Norbert Darabos, sprach von einem "Denkzettel" für die Regierung. ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka, gratulierte Fischer zu seinem Wahlsieg. Die 55- jährige Ferrero-Waldner habe "hervorragend gekämpft" und eine "beachtliche Aufholjagd" hingelegt. Sie werde trotz der Wahlniederlage Außenministerin bleiben.
Stimmungs-Barometer
Die Abstimmung galt als Test für die Popularität der Mitte-rechts-Regierung sowie als Prüfstand für die Neutralität Österreichs. So hat die 55-jährige Außenministerin Ferrero-Waldner die Frage aufgeworfen, ob es nicht an der Zeit sei, die vor 49 Jahren beschlossene Neutralitätspolitik aufzugeben. Der zehn Jahre ältere stellvertretende Parlamentspräsident Fischer hat diesen Status in den internationalen Beziehungen für unverzichtbar erklärt, befürwortet aber einen "Solidaritätspakt" mit der Europäischen Union, der im Notfall auch einen militärischen Beistand einschließen könnte. Fischer von den oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) konnte am Sonntag mit der Unterstützung der meisten Grünen-Wähler rechnen, während der fremdenfeindliche FPÖ-Politiker Jörg Haider Ferrero-Waldner im Wahlkampf unterstützt hat. Im Fall eines Siegs wäre sie die erste Bundespräsidentin des Landes geworden.