Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt vor zu hohen Erwartungen an ihre diplomatische Initiative im Ukraine-Konflikt. Zusammen mit dem französischen Staatschef Francois Hollande will Merkel am Freitagnachmittag mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin Friedenschancen ausloten. "Hollande und ich wollen uns mit ganzer Kraft für ein Ende des Blutvergießens einsetzen", sagte Merkel vor dem Abflug nach Moskau. Ein Erfolg der Vermittlungen sei aber noch völlig ungewiss. Hollande sagte, das Ziel sei eine umfassende Vereinbarung. Ein Waffenstillstand allein wäre nicht ausreichend. In der Ukraine begann die Evakuierung der umkämpften Stadt Debalzewe, dabei schwiegen dort offenbar die Waffen.
Merkel betonte, es könne keine militärische Lösung des Konflikts geben. Die gemeinsame Initiative mit Hollande begründete sie auch mit einer Bedrohung der europäischen Friedensordnung. Beide seien nicht als neutrale Vermittler unterwegs. Es gehe vielmehr darum, "dass wir unsere Interessen, und zwar deutsche und französische, aber vor allem auch europäische Interessen einbringen". Es sei aber völlig offen, ob mit der Unterredung eine Waffenruhe erreicht werden kann. "Wir wissen nicht, ob das heute gelingt, ob vielleicht weitere Gespräche dazu notwendig sind", sagte die Kanzlerin. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert dämpfte die Erwartungen: "Wir werden sehen, wie das Gespräch mit Präsident Putin heute läuft", sagte er. "Es ist sehr schwierig." Es gebe keinerlei Anzeichen für einen Durchbruch. Am Vortag hatten Merkel und Hollande in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gesprochen. Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Hollande betonte, das Ziel in Moskau sei eine Vereinbarung. "Jeder weiß, dass der erste Schritt ein Waffenstillstand sein muss", sagte er. "Aber das ist nicht genug, wir brauchen eine umfassende Einigung." Vor der überraschenden Vermittlungsinitiative Merkels und Hollandes waren in der Ukraine die Kämpfe zwischen Armee und prorussischen Separatisten immer heftiger und verlustreicher geworden.
Aus russischer Sicht fast die letzte Chance
Der russische Botschafter in Frankreich, Alexander Orlow, betonte im französischen Radiosender Europe 1 die Dringlichkeit des Treffens in Moskau. "Ich würde nicht sagen, dass es die letzte Chance ist", sagte Orlow. "Aber es ist nicht weit davon entfernt." Orlow warnte vor Waffenlieferungen der USA an die Ukraine. Russland habe davor keine Angst. "Es wäre aber Wahnsinn, weil dadurch Öl ins Feuer gegossen wird." US-Außenminister John Kerry sagte nach seinen Gesprächen in Kiew, die USA setzten auf Diplomatie. Die Washingtoner Regierung werde aber auch nicht die Augen verschließen, wenn russische Panzer über die Grenze rollten.
Unterdessen begann in der Ostukraine die Evakuierung der umkämpften Ortschaft Debalzewe. Am Freitag fuhren von zwei Seiten aus Buskonvois auf die Stadt im Osten des Landes zu. Regierungstruppen und Rebellen vor Ort schienen sich auf eine Waffenruhe verständigt zu haben, um Zivilisten in Sicherheit bringen zu lassen. Eine Buskolonne wurde von Separatisten und OSZE-Beobachter begleitet, die andere von ukrainischen Regierungssoldaten. Der Ort ist wegen seiner strategischen Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt seit Wochen umkämpft.