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Peru Ex-Diktator Alberto Fujimori begnadigt - nun hofft ein empörtes Volk auf ein neues Urteil

Alberto Fujimori
Alberto Fujimori wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt, nach rund zehn Jahren aber begnadigt. Angehörige der Opfer seiner Schreckensherrschaft ziehen nun vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte
© Martin Mejia / Picture Alliance
Seine Schergen töteten Unschuldige, Tausende Frauen ließ er zwangssterilisieren - 25 Jahre muss Perus Ex-Präsident Alberto Fujimori deswegen in Haft. Dennoch wurde er aus "humanitären Gründen" begnadigt. Nun prüft ein Gericht den Gnadenakt.

Es war ein Tag vor Weihnachten, als die Nachricht "Alberto Fujimori begnadigt" Peru erschütterte. Der ehemalige Diktator des Andenstaates war 2007 zu 25 Jahren Haft verurteilt worden, sollte nun also ein freier Mann sein und in seine Luxusvilla an den Stadtrand von Lima zurückkehren. Die offizielle Begründung für den Straferlass: sein Gesundheitszustand. Denn der 79-Jährige ist herzkrank. Den Jahreswechsel feierte in einem Krankenhaus in der Hauptstadt, ins Gefängnis kehrt er danach nicht wieder zurück. 15 weitere Jahre in Haft bleiben ihm so erspart. Für die Opfer der Diktatur ist das ein Schlag ins Gesicht. Sie zogen vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nun fand die Anhörung statt. Ein Urteil steht noch aus.

Demokratisch gewählt, putschte Alberto Fujimori 1992 gegen seine eigene Regierung und errichtete mit Hilfe des Militärs eine Scheindemokratie. Während Fujimoris Präsidentschaft baute der peruanische Geheimdienst SIN unter anderem die Todesschwadrone "Grupo Colina" auf, die brutal und gnadenlos gegen die maoistischen Rebellen des "Sendero Luminoso", des "Leuchtenden Pfades", vorgingen. Um die Guerilleros aus dem Weg zu räumen, scheuten die Agenten der "Grupo Colina" auch nicht davor zurück, ganze Massaker an Verdächtigen zu verüben. Wie im Januar 1992 in Pativilca oder in La Cantuta - alles mit dem Wissen des damaligen Präsidenten Fujimori, wie die peruanische Tageszeitung "La República" berichtet. 1991 starben 15 Menschen, unter ihnen ein achtjähriger Junge, beim Massaker in Barrios Altos, einem Stadtviertel von Lima. Die "Grupo Colina" stürmte damals ein Grillfest und eröffnete das Feuer.

Zwangssterilisation als Mittel gegen Armut

Doch nicht nur mit Waffengewalt wurden während der Präsidentschaft Fujimoris unliebsame Teile der peruanischen Gesellschaft bekämpft. Im Rahmen des "Nationalen Programms der reproduktiven Gesundheit und Familienplanung" sollen unter Fujimori zwischen 1996 und 2001 mindestens 236.000 Frauen zwangssterilisiert worden sein. Sie galten als "Entwicklungshemmnis" für Peru, diese Form der Geburtenkontrolle als adäquates Mittel zur Bekämpfung von Armut. Amnesty International bezeichnete diese "Familienplanung", wie Fujimori die Zwangssterilisation nannte, als eines der schlimmsten Menschenrechtsverbrechen Amerikas. Oftmals war den jungen Frauen gar nicht bewusst, weshalb sie in die Gesundheitszentren gerufen wurden. Ohne Narkose und mit nur mangelnder medizinischer Versorgung wurden sie unfruchtbar gemacht. Aufgearbeitet ist es noch nicht. Ermittlungsverfahren wurden in der Vergangenheit mehrfach ohne Verurteilung zu den Akten gelegt.

Alberto Fujimori floh nach Japan und erklärte von dort aus seinen Rücktritt. Aufgrund seiner Menschenrechtsverletzungen wurde er per internationalem Haftbefehl gesucht, 2005 in Chile verhaftet und zwei Jahre später zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Die Begnadigung - ein abgekartetes Spiel?

Seinen vorzeitige Begnadigung gilt als brisant, denn in dem lateinamerikanischen Andenstaat häuft dich die Kritik, bei der Begnadigung handle es sich um einen politischen Deal zwischen dem amtierenden Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski und Fujimoris Sohn Kenji handeln. Kuczynski hatte ursprünglich versprochen, Fujimori nicht zu begnadigen. Dann schlitterte er selbst in einen Bestechungsskandal. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn wurde eingeleitet. Kenji Fujimori und einige andere Abgeordnete aus dessen Partei Fuerza Popular stimmten gegen Kuczynski Enthebung - nur drei Tage vor der Begnadigung und obwohl die Fuerza Popular das Amtsenthebungsverfahren ursprünglich angestoßen hatte.

Kritiker, wie der Anwalt Carlos Rivera Paz, der nun vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte die Angehörigen der Massaker vertritt, nannte die Begnadigung "ungerechtfertigt, ordnungswidrig und schlichtweg illegal". Dem widerspricht Adrián Simons Pino, einer der beiden Vertreter des Staates. Die Begnadigung als eine Verschwörung darzustellen, sei nicht korrekt. Außerdem sei die Begnadigung keine Entschuldung der Strafe, so sein Kollege Jorge Villegas Ratti. "Wiegt man das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung, das sie bereits mit der Verurteilung Fujimoris erhalten haben, und das Recht auf Würde und Leben auf, so überwiegt das letztere", sagte er vor dem Interamerikanischen Gerichtshof.

Das Urteil steht noch aus

Für die Angehörigen der Opfer ist das ein Schlag ins Gesicht. "Wir sind hierher gekommen, weil der peruanische Staat uns nicht zugehört hat", sagte Carmen Amaro, die Schwester von Armando Amaro, der seit 1992 verschwunden ist. "Die Begnadigung bedeutet Straffreiheit und das bedeutet, dass sie nicht humanitär, sondern politisch ist." Der Gerichtshof wird in den nächsten zwei Wochen den Fall prüfen und dann sein Urteil verkünden. Obwohl die Urteile des Gerichtshofes bindend sind, hat dieser keine effektiven Durchsetzungsmöglichkeiten, die etwa mit denen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vergleichbar wären.

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