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Prozess gegen Berlusconi Die Justiz holt den Medienmogul ein

Silvio Berlusconi ist in Mailand des Betrugs angeklagt. Seit seiner Wahlniederlage ist das Schattenreich des einstigen "Napoleon" Italiens zusammengebrochen. Jetzt kann er seinen Kopf nicht länger aus der Schlinge ziehen.
Von Luisa Brandl

Silvio Berlusconi muss häufig die Erfahrung machen, dass er keine Sonderrechte mehr hat. Solange er das höchste Regierungsamt innehatte, gelang es ihm immer wieder, seinen Kopf aus der Schlinge der Justiz zu ziehen. Nach seiner Wahlniederlage vom April steht er nun erstmals wieder vor einem Mailänder Gericht.

Im großen Mediaset-Prozess sind mitangeklagt: Fedele Confaloniere, Präsident von Berlusconis TV-Imperium Mediaset, der englische Anwalt David Mills und neun weitere Getreue des Medienmoguls. Es geht um Steuerbetrug und Bilanzfälschung: Die Mediaset-Holding Fininvest soll in den 90er Jahren über zwei Off-Shore-Firmen Film- und Fernsehrechte von US-Firmen für 470 Millionen Dollar gekauft haben. Die amerikanischen Filmfirmen umgingen so den italienischen Fiskus und füllten Berlusconis schwarze Kassen.

Der Brite David Mills spielte dabei eine zentrale Rolle. Er soll laut Ermittlungen für Berlusconi ein riesiges Schattenreich entworfen haben mit rund 40 Geheimfirmen und unzähligen Schwarzgeldkonten, ein Parallelkonzern neben dem 1974 gegründeten offiziellen Unternehmen Fininvest.

Mills soll sich unter anderem auch um Scheinverträge gekümmert haben, die regelten wie TV-Senderechte zwischen einzelnen Firmen der Fininvest hin- und hergeschoben wurden. Der Wert der Rechte soll um 150 Millionen Euro aufgebläht worden sein. Im Londoner Büro des Anwalts fand die Polizei Dokumente, die belegen, wie sich dank Mills Hilfe die Schwarzgeldkonten seines Mandanten mit mehr als 45 Millionen Euro füllten.

"Napoleon" nicht siegesgewiss

Wegen Geldwäsche und Hehlerei waren ursprünglich auch zwei Kinder des Medienunternehmers in den Prozess verwickelt: Piersilvio Berlusconi, Präsident von Fininvest, und Marina Berlusconi, Präsidentin des Großverlags Mondadori und Vizepräsidentin von Mediaset. Die Staatsanwaltschaft hatte sich aber im Oktober für die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen; das Gericht wird zu entscheiden haben, ob die Akte Berlusconi-Kinder definitiv ins Archiv entsorgt wird.

Berlusconi, 70 Jahre alt, schlug in den Tagen vor dem Prozessauftakt eher leise Töne an. Er sei "sehr verbittert", erklärte er knapp gegenüber der italienischen Presse. Die üblen Beschimpfungen der Mailänder Richter als "rote Roben" und "linke Verschwörer" blieben aus. Der Mann, der sich gern mit Napoleon verglich und sich selbst einen Überlegenheitskomplex attestierte, erscheint alles andere als siegesgewiss.

Dabei hatte er auf der Höhe seines Triumphes lange daran geglaubt, die Justiz könne ihm nichts anhaben. Er war der reichste und mächtigste Mann des Landes. In seiner Amtszeit als Regierungschef baute er den italienischen Staat zu seinem Nutzen um, machte sich das öffentliche Fernsehen untertan. 90 Prozent der Italiener sahen Sendungen, die direkt oder indirekt von ihm beeinflusst waren. Er ließ vom Parlament Gesetze nach Bedarf maßschneidern und demontierte noch die letzte unabhängige Bastion, die Justiz.

Dank des Immunitätsgesetzes etwa, das den fünf höchsten Repräsentanten des Staates für die Dauer ihrer Amtszeit Immunität gewährt, wurde Berlusconi die Sorge um eine Verurteilung im SME-Prozess wahrscheinlich endgültig los. Berlusconi wird vorgeworfen, einen Richter bestochen zu haben, um ein Urteil rückgängig zu machen, demzufolge der Berlusconi-Konkurrent De Benedetti den Zuschlag für die Übernahme der Supermarktkette SME bekommen hatte. Italienische Juristen gehen davon aus, dass dieses Verfahren wegen Verjährung eingestellt werden wird.

Justizsorgen nicht losgeworden

Der ähnlich gelagerte Mondadori-Prozess, auch hier geht es um Richterbestechung, ist bereits verjährt; Berlusconi ließ per Gesetz die Verjährungsfristen einfach herabsetzen. Beim Parteispendenprozess hatten die Berufungsinstanzen ebenso Verjährung festgestellt. Das Verfahren All Iberian wegen finsterer Off-Shore-Geschäfte endete 2005 mit einem Freispruch, da eine von Berlusconi gewollte Gesetzesänderung die Bilanzfälschung nicht mehr unter Strafe stellte.

Trotz des permanenten Machtmissbrauchs unter seiner Herrschaft ist Berlusconi seine Justizsorgen jedoch nicht ganz losgeworden. Nach einer Auflage des Verfassungsgerichts muss Berlusconi einen seiner drei TV-Kanäle entweder verkaufen oder die Ausstrahlung über Satellit begrenzen.

Für März 2007 ist bereits ein zweiter Prozess anberaumt: Berlusconi hat laut Staatsanwaltschaft seinem Anwalt Mills 600.000 Dollar zukommen lassen, damit dieser als Zeuge in zwei Prozessen 1997 und 1998 keine Informationen über die Tarnfirmen seines Mandanten im Ausland preisgab.

In Spanien schlummert indes der Prozess Telecino. Richter Baltasar Garzón, der Mann, der Chiles Diktator Augusto Pinochet verhaften ließ, hat Berlusconi im Verdacht, beim Ankauf des spanischen TV-Senders Telecinco das dortige Kartellgesetz umgangen und etwa 50 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Die Sache ruhte, solange Berlusconi als Regierungschef international unter die so genannte Staatenimmunität fiel. Garzón wird voraussichtlich den Prozess nun wieder aufnehmen.

Globales Imperium zur Steuerhinterziehung

Die Aussagen des Advokaten Mills lassen die längst abgeschlossene Sache All Iberian wieder aufleben. Der Brite hatte vor zwei Jahren den englischen Finanzinspektoren erklärt, Berlusconi habe ihn um Rat gefragt, wie er besser verschleiern könne, dass er hinter den Scheinfirmen der Fininvest stecke ("to further distance himself"). Die beiden hatten sich 1994 getroffen, just als die Ermittlungen in Sachen All Iberian ins Laufen kamen.

Die Mailänder Richter deckten ein globales Imperium zur Steuerhinterziehung auf, das von Panama bis zu den Virgins Islands reichte. Eine Milliarde Euro soll der Anklage zufolge in den Jahren 1989 bis 1996 durch die schwarzen Kassen geflossen sein. Fininvest leugnete damals die Existenz von All Iberian, und noch im Jahr 2000 sagte Berlusconi den oft zitierten Satz: "Mit meinem Sinn für Ästhetik hätte ich niemals eine Firma mit diesem Namen akzeptiert."

Auch für seinen Intimus und Anwalt Cesare Previti konnte Berlusconi nicht alles tun. Nach zehn Jahren Prozessdauer verurteilte der Kassationshof in letzter Instanz Previti wegen Richterbestechung im Mai 2006 zu sechs Jahren Haft. Der gerade 72 Jahre alt gewordene Previti kann wegen seines Alters die Strafe als Hausarrest abbüßen. Sein Anwalt Alessandro Sammarco jammerte nach der Urteilsverkündung, er und sein Mandant seien "von allen im Stich gelassen worden".

Vom Staubsaugervertreter zum Medienmogul

Berlusconi, der sich zu Beginn seiner letzten Amtszeit als "weltweit unvergleichbar aufgrund seiner Biografie und seiner Fähigkeiten" mit Eigenlob überhäufte, war von klein auf vom Ehrgeiz getrieben. Dass man mit Fleiß und Hartnäckigkeit einiges erreichen kann, hatte ihm schon Vater Luigi vorgemacht. Vom kleinen Bankangestellten boxte er sich zum Generaldirektor der Bank Rasini hoch. Silvio studierte Jura, jobbte nebenbei als Staubsaugervertreter und singender Conférencier auf Musikdampfern und landete schließlich bei einer Baufirma.

Mit 27 machte er sich selbständig und verschwieg, wer ihm das Geld dazu gab. Ungeklärt ist auch, mit welchen Mitteln er Ende der 60er Jahre in einem Mailänder Vorort die Trabantenstadt Milano 2 mit Wohnungen für zehntausend Menschen, Geschäften, Sportclubs und eigener TV-Station hochgezogen hat. Wie durch ein Wunder gelang es dem Selfmade Man sogar, die Flugroute umleiten zu lassen, die über seine Siedlung führte und die Bewohner störte.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass Berlusconis Startkapital Mafiagelder sind. Aussteiger aus dem Milieu berichteten als Zeugen vor Gericht, Berlusconi und sein rechter Arm und Busenfreund Marcello dell´Utri hätten jahrelang mit den Bossen der sizilianischen Cosa Nostra gute Geschäfte gemacht. Dell´Utri wurde im Dezember 2004 in erster Instanz zu neun Jahren Haft wegen Komplizenschaft mit der Mafia verurteilt, sitzt aber nicht ein, sondern als Senator in der oberen Kammer des italienischen Parlaments.

Anfang der 70er Jahre war der Mafiaboss Vittorio Mangano in Berlusconis Villa Arcore mit Frau, Kindern und Mutter eingezogen, offiziell als "Stallmeister", um sich der Pferdezucht zu widmen, in Wahrheit soll er der Brückenkopf der sizilianischen Malavita im Norden gewesen sei. Besuche von Mafiosis beim Hausherren fielen nicht weiter auf, da sie als Angehörige des "Stallmeisters" durchgingen, erklärte der 1992 ermordete Mafiajäger Paolo Borsellino.

Mit reichlich schmutzigem Geld

Mit reichlich schmutzigem Geld schaffte Berlusconi den Sprung vom Bauunternehmer zum Medientycoon, aber auch mit besten Beziehungen zur politischen Führungsriege. Sozialistenchef Bettino Craxi war mehr als nur ein Freund, er war Trauzeuge und Pate einer Tochter Berlusconis. Ende der 70er Jahre hatte das Staatsfernsehen RAI das TV-Monopol, es waren nur lokale Privatsender erlaubt.

Doch Berlusconi trickste das Gesetz aus, indem er dieselben Programme auf viele Kassetten kopierte, an alle kleinen Sender verteilte und sie zur gleichen Zeit regional ausstrahlen ließ. 1984 stoppte ein Richter die Ausstrahlung. Doch die Italiener protestierten dagegen, dass man ihnen "Dallas" und "Denver Clan" wieder genommen hatte. Nach drei Tagen Sendepause hob Ministerpräsident Craxi den Richterspruch per Dekret wieder auf.

Als das politische System aus Bestechung und Vetternwirtschaft unter den Ermittlungen des Mailänder Richter-Pools "Saubere Hände" einstürzte, verlor Berlusconi seine politischen Freunde und damit die Glaubwürdigkeit bei den Banken. Er hatte drei Milliarden Euro Schulden und Probleme mit der Justiz.

Der "neue Mann", der er nicht war

Dass das seine Beweggründe waren, in die Politik zu gehen, daraus machte er keinen Hehl. Wenn ihm niemand mehr half, dann musste er sich selbst helfen. 1993 gründete sein Spezi Dell´Utri die Sammelbewegung Forza Italia aus dem Nichts. Überall im Land ließ Berlusconi Forza-Italia-Clubs gründen, von Freunden, Geschäftspartnern und Angestellten. Das Programm war ein Wiederaufguß mit Rezepten von Maggie Thatcher und Ronald Reagan.

Der einstige Craxi-Schützling präsentierte sich als der "neue Mann", der er nicht war, und versprach weniger Bürokratie und niedrigere Steuern. Sein erstes Kabinett 1994 stürzte nach neun Monaten. In seiner zweiten Amtsperiode schaffte er allerdings, was noch keinem Ministerpräsidenten der Nachkriegsgeschichte gelungen war: er regierte fünf Jahre ununterbrochen. Italien wurde in diesen Jahren ärmer, Berlusconi um zwölf Milliarden Euro reicher.

Manchmal muss es Berlusconi so vorkommen, als sei er noch der Herrscher im Land. Der linke Moderator Michele Santoro, einst von Berlusconi geschasst und nun wieder in den Staatssender zurückgekehrt, griff - wie zu erwarten - in seinem neuen Programm "Annozero" (Jahr null) Berlusconi an. Santoro zitierte eine Aussage des englischen Anwalt Mills, wonach der TV-Mogul in Großbritannien Bestechungsgelder für Frequenzen gezahlt haben soll. Berlusconi rief wutentbrannt im Studio an, schickte ein Fax mit der Forderung, gefälligst sofort seine Version zu verlesen. Doch die Zeiten, da Berlusconi jederzeit auf allen Kanälen das Wort ergreifen konnte, sind passé.

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