Es war eine Entwicklung, die die ganze Welt überraschte: Am späten Freitagabend berichten internationale Medien plötzlich über Panzer auf den Straßen von Istanbul und Ankara. Soldaten sperren die Bosporus-Brücke ab - Kampfflugzeuge schießen im Tiefflug über Innenstädte hinweg. Schnell wird klar, es handelt sich um einen Putsch des Militärs.In ihrem Bestreben, die Macht im Land an sich zu reißen, konzentrieren sich die Putschisten auf einige zentrale, strategisch wichtige Punkte. Um den Überraschungsvorteil zu nutzen und dem Volk den Eindruck zu vermitteln, Erdogan habe die Macht bereits verloren, geraten auch die Redaktionsgebäude der Fernsehsender TRT und CNN-Türk schnell ins Visier der abtrünnigen Militärs.
"Es war die schlimmste Sendung meines Lebens"
Inmitten des Chaos finden sich zwei Journalistinnen wieder, die gerade live im Fernsehen berichten und plötzlich selbst im Zentrum der Geschehnisse stehen: Başak Şengül vom Sender CNN Türk und Tijen Karas vom türkischen TV-Sender TRT-1.
Rückblende:, In der Nacht zum Samstag blickt Karas in die Kamera, ihre Hände sind verschränkt - sie verliest mit ruhiger Stimme eine News, doch handelt es sich nicht wie üblich um einen Nachrichtenbericht. Es ist die zentrale Botschaft der Putschisten: Die Armee habe die Macht übernommen, um die Verfassungsordnung, Menschenrechte, Freiheiten und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Die Putschisten hätten zudem das Kriegsrecht verhängt, wie Tijen Karas tausenden Menschen an den Bildschirmen mitteilt.
Was die Zuschauer in dem Moment jedoch nicht sehen - hinter der Kamera stehen Soldaten und zwingen sie mit vorgehaltenen Waffen dazu, dem Volk die Putschnachricht zu übermitteln.
Doch schnell wird klar: Der Aufstand verläuft im Sande, die Macht von Präsident Erdogan gerät nicht in Gefahr. Und die mutige Moderatorin erhält inzwischen únter dem Hashtag #TijenKaras viel Zuspruch und Bewunderung, wie sie die nervenaufreibende Situation im Studio gemeistert hat. Ein Nutzer schreibt bei Twitter: "Ich werde den Moment nie vergessen, als #TijenKaras gezwungen wurde, das Statement zu verlesen." Ein anderer schreibt: "Unglaublicher weise, haben sie das Studio schon wieder aufgeräumt und sie geht schon wieder auf Sendung. Was für eine Nacht. #TijenKaras". Später schilderte Karas, "Wir haben drei, vier Stunden des Alptraums erlebt (…) es war die schlimmste Sendung in meinem Leben."
"Im Garten ist ein Hubschrauber mit Soldaten gelandet"
Ein ähnlich dramatisches Schicksal wiederfährt Moderatorin Başak Şengül vom Sender CNN-Türk. Auch sie erlebt während eines Live-Berichts mit, wie die Putschisten in das Gebäude ihres Senders eindringen und immer näher kommen. Vollkommen ruhig, ganz Nachrichtenprofi, unterbricht Sengül ihr Live-Gespräch mit Gesundsheitsminister Akdağ und schildert live, dass sich die Soldaten bereits innerhalb des Gebäudes befinden.
"Im Garten ist ein Hubschrauber mit Soldaten gelandet", berichtet sie den Zuschauern. Kurz darauf zeigt die Kamera Soldaten im Gebäude. Şengül bleibt dran: "Unser Ziel ist es, schnell und richtig über diese historischen Ereignisse zu informieren." Sie sagt, sie wisse nicht ob sie noch lange weiterberichten könne. "Ich höre Leute auf das Studio zukommen", sagt die Moderatorin.
Die letzten Worte die von ihr noch zu hören sind: "Ich möchte das Studio nicht verlassen." Für ihre couragierte Berichterstattung während des Putschversuchs, erhält nun auch Başak Şengül viel Lob in den sozialen Medien.