Der britische Premierminister Tony Blair hat am Dienstag eine parteiinterne Rebellion überstanden und im Parlament für die Erhöhung der Studiengebühren eine knappe Mehrheit erhalten. Das Ergebnis der Abstimmung stand dabei bis zuletzt auf des Messers Schneide. Dem Bericht von Lordrichter Hutton zum Selbstmord des Waffenexperten David Kelly kann Blair am Mittwoch offenbar gelassen entgegen sehen. Laut der Zeitung "Sun" enthält er keine Vorwürfe an den Regierungschef.
The Sun: BBC-Bericht völlig gegenstandslos
Wie die "Sun" in ihrer Mittwochsausgabe berichtet, wird Blair in dem Bericht von allen Vorwürfen entlastet. Gerügt wird hingegen das Verteidigungsministerium, weil es Kelly nicht darüber informierte, dass sein Name genannt werden sollte. Harsche Kritik äußert der Bericht an der BBC, weil sie es versäumt habe, Fakten vor der Veröffentlichung des Berichts zu überprüfen. Kelly war die Quelle eines BBC-Berichts, in dem der Regierung vorgeworfen wurde, die Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen bewusst aufgebauscht zu haben. Dieser Bericht sei völlig gegenstandslos, urteilt Hutton der "Sun" zufolge. Kelly nahm sich im Juli vergangenen Jahres das Leben, wenige Tage nachdem er als Quelle des BCC-Berichts genannt worden war.
Hauchdünne Mehrheit für Erhöhung der Studiengebühren
Die Abstimmung über die Erhöhung der Studiengebühren war im Vorfeld zu einer "Schicksalswahl" für Blair stilisiert worden. Das Vorhaben, die Kosten für Studenten um das Dreifache zu erhöhen, war in der "Labour-Partei heftig umstritten. In der Parlamentsabstimmung stimmten 316 Abgeordnete für die auch innerhalb der regierenden Labour-Partei umstrittene Gesetzesvorlage, 311 dagegen. Angesichts einer Mehrheit von 157 Stimmen für die Labour-Partei kann von einer vollen Unterstützung für die Regierungspolitik aber keine Rede sein. Erziehungsminister Charles Clarke räumte denn auch ein, dass seine und die Autorität des Premierministers auf dem Spiel gestanden hätten.
Kritiker werfen Blair Wahlbetrug vor
Hintergrund des Protests der Labour-Abgeordneten, die ihre Ankündigung wahr gemacht und gegen die Gesetzesvorlage gestimmt hatte, war ein Versprechen von Labour vor dem überwältigenden Wahlsieg 1997, die Studiengebühren von derzeit 1.100 Pfund (1.600 Euro) im Jahr unangetastet zu lassen. Sie werden jetzt jedoch auf 3.000 Pfund erhöht. Die Blair-Kritikerin Clare Short, die die Regierung im vergangenen Jahr verließ, sprachen denn auch von einem "Vertrauensbruch". Entrichtet werden soll die Gebühr dem Gesetzentwurf zufolge erst nach Ende des Studiums, wenn der Hochschulabsolvent bereits Einkünfte erzielt. Als Zugeständnis an die Rebellen in der eigenen Partei versprach Clarke, dass eine weitere Anhebung während der kommenden beiden Legislaturperioden gesetzlich ausgeschlossen werde.
Eine Niederlage der Regierung hätte für Blair nach Ansicht von Beobachtern noch schwerwiegender sein können als die anhaltende Kontroverse wegen seiner Unterstützung des Irak-Kriegs. Seit 1986 unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher ist in Großbritannien keine Regierungsvorlage mehr von der eigenen Partei zu Fall gebracht worden.