Unterhaltungsriese zieht vor Gericht Gouverneur gegen Goofy: Was hinter der Fehde zwischen Ron DeSantis und Disney steckt

Ron DeSantis, Gouverneur im US-Bundesstaat Florida
Hat Disney zum Teil seines Kulturkampfes gemacht: Floridas Gouverneur Ron DeSantis
© Giorgio Viera / AFP
Der Streit zwischen der Traumfabrik und dem republikanischen Shootingstar eskaliert: Weil Ron DeSantis den Freizeitpark "Disney World" absichtlich benachteilige, zieht der Medienkonzern vor Gericht. Wie kam es dazu?

Seit mehr als einem Jahr liegen sich der Unterhaltungsriese Disney und Floridas Gouverneur Ron DeSantis in den Haaren. Dem republikanischen Shootingstar und wahrscheinlich baldigen Herausforderer von Ex-Präsident Donald Trump im Rennen um das Weiße Haus, ist der Konzern ein Dorn im Auge.

Was als Gegenbrise von links begann, ist inzwischen zu einem der Hauptschlachtfelder in DeSantis' rechtspopulistischem Kulturkampf verkommen. Auch dem milliardenschweren Gute-Laune-Fabrikanten reicht es jetzt – Mickymaus zeigt Krallen.

Ein Rückblick in drei Akten.  

Akt I: Wie alles anfing

Alles begann, als DeSantis im März 2022 ein Gesetz mit dem ominösen Titel "Parental Rights in Education Act" unterzeichnete – besser bekannt als "Don't say gay"-Gesetz. Dem Entwurf nach sollte Unterricht und Diskussionen über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in den ersten drei Grundschuljahren und Kindergärten verboten werden.

Das radikale Vorgehen war Teil von DeSantis Kreuzzug gegen eine aus seiner Sicht "woke" Elite, mit dem er in erster Linie das angeblich links-indoktrinierte Bildungssystem wieder auf die rechte Spur bringen will. Konservative bejubelten DeSantis' Vor-, beziehungsweise Zurückpreschen als längst überfälligen Akt. Kritiker sahen darin freilich nichts anderes als einen Eingriff in die Selbstbestimmung.

Disney, das mit seinem weltberühmten Themenpark in der Nähe von Orlando zu den größten Arbeitgebern im Bundesstaat gehört, tat zunächst: nichts. Das überraschte, war Disney in seinen Filmen zuletzt doch sehr um Diverisität bemüht. Erst der Druck der Angestellten veranlasste die Geschäftsführung zu einer Reaktion. Neben einem öffentlichen Protest gegen das Gesetz, äußerte sich Disneys damaliger Vorstandsvorsitzender Bob Chapek mehrfach kritisch. Ob er damit DeSantis den sprichwörtlichen Federhandschuh hinwerfen wollte, ist fraglich. Allerdings verstand es DeSantis genau so (oder er wollte es so verstehen). "Wenn Disney einen Streit will, haben sie sich den falschen Mann ausgesucht", schrieb er in eine Mail an potenzielle Spender. Der Amtsinhaber war auf Stimmenfang – die Midterms und damit das Rennen um seine Wiederwahl standen vor der Tür.

Zwar wurde das "Don't say gay"-Gesetz am Ende gekippt. DeSantis hielt auf seine Weise trotzdem Wort. Anstatt sich dem wirtschaftlichen Druck zu beugen, verschärfte er seinen Kulturkampf immer weiter. Der Gouverneur (DeSantnis hatte bei den Wahlen im Herbst 2022 einen Erdrutschsieg eingefahren) nannte Disney schließlich nur noch mit dem Zusatz "woke". Auch rechte Kommentatoren beim konservativen Sender Fox News nahmen Disney geradezu dankbar auf ihre schwarze Liste. 

Akt II: Angriff und Rückzug

Nun ist Disney World nicht irgendein Unternehmen für Florida. Auf dem 11.000 Hektar großen Gelände stehen Dutzende Hotels. Hier arbeiten heute schon mehr als 75.000 Menschen, Tendenz steigend. Entsprechend seiner wirtschaftlichen Bedeutung hat der Park seit 1967 (elf Jahre vor DeSantis' Geburt) einen besonderen Steuerstatus. Im Wesentlichen, so berichten US-Medien, kann der Ressortkomplex schalten und walten wie eine Bezirksregierung. "Central Florida Tourism Oversight District", so heißt die Sonderzone Disney World auf dem Papier. Dadurch können "die Regierenden" sich selbst Bauvorhaben genehmigen, eigene Krankenwagen und Feuerwehr betreiben und sogar teilweise eigenständig Strom generieren. Abermillionen Dollar spart sich der Konzern so Jahr für Jahr.

Diese Extrawurst wollte DeSantis Disney zum 1. Juli 2023 entziehen. Das Problem: Dann müssten die beiden "echten" Countys, auf deren Land Disney World de facto liegt, in Zukunft die Rechnung für Brandschutz, Krankentransport, Polizeiarbeit und Infrastruktur übernehmen. Außerdem wären Anleiheschulden der Sonderzone in Höhe von einer Milliarde Dollar auf die eigentlichen Bezirke übergegangen. So ruderte DeSantis im Februar zurück, zumindest teilweise. Nur die Besetzung des lokalen Kontrollgremiums musste in die Hand des Gouverneurs übergehen. Das sollte noch Ärger geben.

Akt III: Disney verklagt DeSantis

Glücklich war DeSantis mit der PR-Niederlage nicht, seine Rache war vorprogrammiert. Die feinsäuberlich vom Gouverneur ausgewählten Aufsichtsratsmitglieder des Parks stimmten nun am Montag dafür, die Vereinbarung, wonach der Konzern über Design- und Bauvorhaben entscheidet, zurückzunehmen. 

Am 26. April war es dann um den zwischenzeitlichen Waffenstillstand geschehen. Der Konzern verklagt den Gouverneur vor einem Bundesgericht in Tallahassee persönlich. Schließlich würde der eine "gezielte Kampagne der Vergeltung" gegen das Unternehmen führen. Die Geschäftsführung habe keine andere Wahl, wenn man Mitarbeiter, Gäste und Partner des Freizeitparks schützen wolle. Zuvor hatte der ambitionierte Gouverneur damit gedroht, einen weiteren Freizeitpark in unmittelbarer Nähe zu genehmigen. Sogar den Bau eines Gefängnisses schloss er nicht aus.

Was nun auch passiert: DeSantis hat seine Rolle gefunden – und er spielt sie perfekt. Er gibt den konservativen Staatsmann, der sich von nichts und niemandem einschüchtern lässt. Weder von der Washingtoner Elite, noch von mächtigen Konzernen. Es wäre nicht das erste Mal, dass es ein Republikaner mit einer solchen Aura weit bringt. Präsidentschaftsmaterial, sozusagen.

Mit Disney in den Ring zu steigen, bedeutet allerdings, sich mit einem lebendigen Stück amerikanischer Geschichte anzulegen. Bleibt abzuwarten, wie das in den patriotischen USA ankommt.