Mögliche Militärmanöver Zieht Russland Truppen ab oder werden sie ausgebaut? Nato-Staaten planen, die Ostflanke zu verstärken

Russische Truppen auf der Krim
Russische Truppen auf der Krim kehren nach einem Manöver in die Kasernen zurück.
© Handout/Russian Defence Ministry / AFP
Nun zieht auch die Nato nach: Nachdem Moskau seine Truppenpräsenz zunächst aus- und dann nach eigenen Angaben wieder abgebaut hatte, planen die westlichen Bündnispartner eine Verstärkung in Osteuropa.

Der Westen hält die Lage in der Ukraine trotz des angekündigten Teilabzugs russischer Truppen von der Grenze nach wie vor für bedrohlich. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, er sehe bisher keine Anzeichen für einen russischen Truppenabzug. "Im Gegenteil, Russland scheint seine Militärpräsenz weiter auszubauen."

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht nach eigenen Worten bislang keine Anzeichen dafür, dass Russland den angekündigten Teil-Abzug seiner Truppen von der ukrainischen Grenze wirklich umsetzt. "Wir sehen kleine Rotationen", sagte Selenskyj in einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache. "Ich würde diese Rotationen nicht als Rückzug russischer Truppen bezeichnen." Während Moskau die Militärübungen auf der annektierten Krim für beendet erklärte, feierte die Ukraine einen Tag der Einheit und hielt ein eigenes Manöver ab. 

"Immer noch genauso viele Streitkräfte"

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte ebenfalls, es seien "immer noch genauso viele Streitkräfte" an der Grenze stationiert wie zuvor. Auch US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte die Position der US-Regierung: Trotz der Ankündigungen Russlands sei bislang kein "bedeutender Rückzug" von Truppen erkennbar, sagte er im Sender ABC.

Stoltenberg sieht dennoch auch einen "Grund zu vorsichtigem Optimismus", weil Russland dialogbereit scheine. Für weitere Spannungen könnte allerdings seine Ankündigung sorgen, dass die Nato die Verlegung neuer Gefechtseinheiten an die Ostflanke des Bündnisses prüft. Nach Stoltenbergs Worten geht es um "neue Battlegroups in Ost- und Südosteuropa". Im Gespräch ist unter anderem die Einrichtung einer neuen multinationalen Gefechtseinheit in Rumänien. 

Was genau ist geplant?

Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg will die Nato ihre Präsenz an der sogenannten Ostflanke dauerhaft ausbauen. Dafür sind neue multinationale Gefechtseinheiten im Gespräch, sogenannte Battlegroups. Nach dem Baltikum und Polen könnten sie erstmals auch im Südosten Europas eingesetzt werden. 

Wo sind neue Einheiten geplant?

Am konkretesten fortgeschritten sind die Pläne für Rumänien, das eine mehr als 600 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine hat. US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten dem 2004 beigetretenen Nato-Partner zuletzt Verstärkung zugesagt. Über weitere Verlegungen nach Bulgarien, Ungarn und in die Slowakei wurde ebenfalls diskutiert, dort gibt es aber wegen des Verhältnisses zu Russland innenpolitischen Widerstand.

Wie soll die Hilfe für Rumänien konkret aussehen?

Die USA wollen tausend derzeit in Bayern stationierte Soldaten nach Rumänien entsenden. Zudem wurden US-Kampfjets vom Typ F-16 von Deutschland auf einen rumänischen Stützpunkt hundert Kilometer vom Schwarzen Meer verlegt. Die US-Kräfte könnten nach Brüsseler Angaben in eine neue Nato-Battlegroup eingegliedert werden. Frankreich hat angeboten, das Kommando zu stellen. 

Droht ein verschärfter Konflikt mit Russland?

Beobachter fürchten dies, denn Russland hatte die Nato vor der Stationierung neuer Kräfte im Osten gewarnt - insbesondere in Rumänien und Bulgarien. Beide Länder sind Anrainer des Schwarzen Meeres, in dem auch die von Russland annektierte Krim-Halbinsel liegt. Nato-Generalsekretär Stoltenberg sagte dagegen, die Nato sei "keine Bedrohung für Russland", es gehe nur um den Schutz östlicher Mitgliedstaaten.

Wie bewertet Deutschland die Pläne?

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte sich am Rande des Ministerrats zurückhaltend zu den Plänen. Eine Entscheidung solle nicht in der derzeitigen Krisensituation mit Russland fallen, "sondern nach einer intensiven Prüfung", forderte sie. 

Wie geht es nun weiter?

Wenn die Nato-Militärführung unter US-General Tod Wolters ihre Pläne vorgelegt hat, müssten die 30 Mitgliedstaaten einen einstimmigen Beschluss fällen. Erwartet wird dies nicht vor dem Bündnisgipfel Ende Juni in Madrid.

Was unternimmt die Nato sonst?

Auch an anderen Stellen verstärkt die Nato ihre sogenannte Ostflanke: Deutschland hat im Ukraine-Konflikt weitere 350 Soldaten und rund hundert Militärfahrzeuge für den Baltenstaat Litauen zugesagt, zusätzlich zu rund 550 bereits stationierten Kräften. Deutschland hat seit gut fünf Jahren das Kommando der Nato-Battlegroup in Litauen. 

Bleibt diese Verstärkung dauerhaft?

Genau das ist die Frage. Die USA etwa haben für Polen 1700 zusätzliche Soldaten angekündigt, wo die Vereinigten Staaten eine Battlegroup führen. Zwei weitere solche Bataillone befinden sich in Estland unter britischem Kommando und in Lettland unter kanadischem Kommando. Die Einheiten waren als Reaktion auf die Annexion der Krim durch Russland 2014 per Nato-Beschluss zwei Jahre später entsandt worden.

AFP
nik