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Russische Zeitung "Nowaja Gaseta" Razzia bei Henri-Nannen-Preisträger

Während Dmitrij Muratow, Chefredakteur der "Nowaja Gaseta", in Hamburg den Henri Nannen Preis für besondere Verdienste um die Pressefreiheit entgegennahm, durchsuchten Mitarbeiter des russischen Innenministeriums die Redaktionsräume der Außenstelle in Samara und beschlagnahmten Computer.
Von Carsten Heidböhmer und Andreas Albes

Unter dem Vorwand, nichtlizenzierte Computer-Programme zu suchen, haben Mitarbeiter des russischen Innenministeriums am Freitag mehrere Rechner in der Redaktion der "Nowaja Gaseta" in Samara beschlagnahmt. Zur gleichen Zeit weilte Chefredakteur Dmitrij Muratow in Hamburg, wo er stellvertretend für die Redaktion den renommierten Henri Nannen Preis für engagiertes Eintreten für die Pressefreiheit entgegennahm.

Die in Moskau beheimatete "Nowaja Gaseta" ist Russlands bekannteste oppositionelle Zeitung. Seit Jahren berichtet die Redaktion unerschrocken über Korruption und Menschenrechtsverletzungen im Land - und muss dafür massive Repressionen der Staatsmacht erdulden. So wurden in den letzten Jahren drei Redakteure der "Nowaja Gaseta" getötet, zuletzt die bekannte Journalistin Anna Politkowskaja im vergangenen Oktober.

Viel Beifall für Muratow

In einer ergreifenden Rede versprach Muratow in Hamburg, die Ermordung Politkowskajas aufzuklären - und erntete dafür minutenlangen Beifall. Doch wie schwer dieses Unterfangen umzusetzen ist, zeigt die zeitgleich stattfindende Razzia in Samara. Dort befindet sich eine eigene Lokalredaktion der "Nowaja Gaseta". Gleichzeitig ist die Stadt Gastgeber des EU-Russland-Gipfels am 18. Mai, wo sich die europäischen Regierungschefs mit dem russischen Präsident Wladimir Putin treffen. Die Behörden befürchten Proteste gegen Putin und nahmen in den vergangenen Wochen verstärkt Oppositionelle fest.

Möglicherweise steht die Razzia bei der "Nowaja Gaseta in Zusammenhang mit den Protesten. Für Alexander Mineew, Europakorrespondent der Zeitung, ist der Anlass der Durchsuchung nur vorgeschoben. Er kann sich nicht vorstellen, dass die Redaktion in Samara nichtlizenzierte Computer-Programme auf ihren Rechnern installiert habe, sagte er auf Nachfrage von stern.de. Dies sei eine gängige Methode, um Kritiker einzuschüchtern.

Mineew erwartet nun, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den Vorfall auf dem Gipfel in einer Woche anspricht. Große Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation macht er sich jedoch nicht: "Auf jedem Treffen wird die Einhaltung der Pressefreiheit angemahnt, aber es passiert nichts."

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