Der russische Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow ist in einem Zug nach eigener Darstellung von einem unbekannten Täter angegriffen und mit roter Farbe überschüttet worden. Die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" veröffentlichte am Donnerstag ein Foto ihres Chefredakteurs, dessen Gesicht, Oberkörper und Arme mit roter Ölfarbe überdeckt waren. "Die Augen brennen ganz fürchterlich", teilte Muratow im Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Ukraine-Krieg: Chefredakteur von Kreml-kritischer Zeitung mit Farbe angegriffen
Der 60-Jährige war demnach im Zug Moskau-Samara, als er von einem Mann angegriffen wurde. "Er schrie: 'Muratow, nimm' das für unsere Jungs'", teilte der Journalist weiter mit. Im Zug rieche es nach der Ölfarbe, die Abfahrt verzögere sich. "Ich versuche, es abzuwaschen", berichtete Muratow. Unklar war der konkrete Hintergrund der Attacke – Muratow zeigte auch sein mit roter Farbe vollgespritztes Schlafwagenabteil. Vermutlich gab es einen Zusammenhang mit Russlands Krieg in der Ukraine, bei dem bereits viele Soldaten gestorben sind.
Regierungskritische Journalisten werden in Russland immer wieder Ziel von Anschlägen. Bei der von Muratow geführten Zeitung "Nowaja Gaseta" sind auch Mitarbeiterinnen ermordet worden, wie etwa die Journalistinnen Anna Politkowskaja und Natalja Estemirowa, die beide durch Schüsse starben. Muratow hatte stets betont, sich nicht einschüchtern zu lassen.
Russische Behörden haben Fahndung eingeleitet
Nach neuesten Angaben hätten Polizeikräfte die Suche nach Verdächtigen eingeleitet. Das berichtete die russische Agentur Interfax mit Berufung auf den Pressedienst einer Verkehrsabteilung des russischen Innenministeriums in der Nacht zu Freitag. Demnach organisierten Mitarbeiter der Verkehrspolizei Maßnahmen, um zwei Männer zu identifizieren und festzunehmen.
Angaben des Innenministeriums zufolge seien beim Einsteigen der Fahrgäste am Kasaner Bahnhof in Moskau zwei Männer mit medizinischen Masken in den Waggon eingestiegen, die sich gegenüber dem Schaffner als Begleitpersonen ausgegeben hätten, hieß es weiter. Danach habe einer das Abteil betreten und den Fahrgast mit roter Farbe übergossen. Unmittelbar danach seien die beiden Männer auf den Bahnsteig gerannt und verschwunden, zitierte Interfax den Pressedienst.
Erscheinen der "Nowaja Gaseta" vorerst eingestellt
Das Erscheinen der "Nowaja Gaseta wurde unlängst wegen des Drucks von russischen Behörden bis zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorübergehend eingestellt. Muratow hatte den Krieg von Kremlchef Wladimir Putin gegen die Ukraine öffentlich kritisiert.
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Die Zeitung hatte nach Erlass eines neuen Gesetzes zur Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit in Russland darauf verzichtet, von einem "Krieg" zu schreiben. Das Wort ist im Zusammenhang mit der Invasion in die Ukraine geächtet in Russland. Allerdings brachte die "Nowaja Gaseta" zuletzt große Reportagen über das Leid der Menschen im Zuge des Kriegs.