Nette Worte können teuer werden – zumindest im Russland des Jahres 2023. Medienberichten zufolge soll eine 70 Jahre alte Frau dort eine Geldstrafe in Höhe von 40.000 Rubel (umgerechnet 442 Euro) zahlen, weil sie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Kompliment gemacht hat.
"Sie haben kein Recht, ihn zu loben, denn er ist unser Feind"
Der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial" zufolge soll die Rentnerin im Dezember 2022 in einem Sanatorium in der Stadt Naltschik in der Teilrepublik Kabardino-Balkarien gegenüber einem Freund das Staatsoberhaupt des verfeindeten Nachbarlandes als "gut aussehenden jungen Mann" bezeichnet haben. Außerdem habe sie dem früheren ukrainischen Schauspieler und Komiker "einen guten Sinn für Humor" attestiert.
Was eigentlich eine Frage des Geschmacks sein sollte, geriet zur Frage des Strafrechts. Wegen vermeintlicher Unterstützung der Ukraine hätten drei Personen offiziell Beschwerde gegen die 70-Jährige eingereicht. Auf der örtlichen Polizeistation habe sie sich verteidigt und erklärt, dass sie lediglich vom Aussehen des Präsidenten, nicht von ihm als Person gesprochen habe. "Memorial" zufolge entgegnete ein Polizist: "Sie haben kein Recht, ihn zu loben, denn er ist unser Feind." Später sei sei sie zur Unterschrift eines Verhörprotokolls genötigt worden, das sie nicht einmal richtig habe lesen können – die Rentnerin soll an Grauem Star erkrankt sein.
Nach einer kurzen Gerichtsanhörung am Donnerstag in Moskau sei sie zu der Geldstrafe verurteilt worden. Jegliche Form von "Diskreditierung" der russischen Streitkräfte verstößt gegen die geltende Gesetzgebung.
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Teurer Schlaf: Mann muss für Traum von Selenskyj Strafe zahlen
Berichten zufolge ist dies ist nicht das erste Mal, dass russische Strafverfolgungsbehörden gegen vermeintlich kritische Bürger vorgehen. Im Dezember hatte ein Gericht in der sibirischen Stadt Tschita einem Mann eine Geldstrafe von rund 330 Euro auferlegt, weil der in sozialen Medien darüber berichtet hatte, von Selenskyj geträumt zu haben.
Im Traum sei er durch eine Mobilmachung von Präsident Wladimir Putin eingezogen und an die Front in der Ukraine geschickt worden. In das Ausbildungszentrum seien dann ukrainische Soldaten unter Selenskyjs Führung eingedrungen, um die Rekruten allesamt zu erschießen. Der Präsident habe den Träumer aber im letzten Moment erkannt und gesagt: "'Oh, ich habe deine Instagram-Storys gesehen. Ruhm der Ukraine!' Und ich antworte: 'Ruhm den Helden!'" Daraufhin habe ihn der Oberbefehlshaber verschont.
Für die russischen Behörden sei auch das nichts anderes als Diskreditierung gewesen. Die spätere Gerichtsverhandlung habe der Beschuldigte verpasst – man habe ihn nicht rechtzeitig über den Termin informiert.
Quellen: "Memorial Human Rights Center"; "Semafor"; "Daily Beast"; "Meduza"; "Redaktionsnetzwerk Deutschland"