Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am Donnerstag die Anhörung über eine Rekordklage des früheren Erdölkonzerns Yukos gegen den russischen Staat begonnen. Das ruinierte Unternehmen fordert 98 Milliarden Dollar (rund 72,4 Milliarden Euro) Schadenersatz und Zinsen von Moskau. Dies ist fast zwei Mal so viel, wie der russische Verteidigungshaushalt und die höchste Summe, die jemals vor dem Staßburger Gericht eingeklagt wurde.
Yukos-Anwalt Piers Gardner hielt der russischen Regierung in Straßburg vor, das Unternehmen von 2000 bis 2003 durch eine "Sintflut von Steuernachforderungen" systematisch in den Konkurs getrieben zu haben. Alle Guthaben von Yukos seien eingefroren worden, das Unternehmen sei dadurch "völlig gelähmt" gewesen. "Dies war eine versteckte Enteignung", sagte Gardner.
Ein russisches Gericht hatte Yukos 2004 wegen Steuerbetruges im Jahr 2000 zur Zahlung von 2,85 Milliarden Euro verurteilt. Im Laufe der Jahre kamen fast zwanzig Milliarden Euro zusammen, die Yukos an nachzuzahlenden Steuern und Zinsen sowie Strafgeldern zahlen musste. Das 1993 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gegründete Unternehmen ging an den Forderungen der Steuerbehörden zugrunde und wurde 2006 für zahlungsunfähig erklärt.
Gardner wies den damals erhobenen Vorwurf des Steuerbetrugs zurück. Yukos sei der zweitgrößte Steuerzahler Russlands gewesen, sagte er. Jeden Monat seien die Zahlungen des Unternehmens in einer eigenen Abteilung des Moskauer Finanzministeriums geprüft worden. Dabei seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.
Yukos wirft Moskau Verstöße gegen die Grundrechte auf einen fairen Prozess, den Schutz des Eigentums sowie das Verbot willkürlicher Strafverfolgung vor. Mit einem Urteil ist erst in mehreren Monaten zu rechnen. Einen Antrag der russischen Regierung, das von Yukos in Straßburg angestrengte Verfahren einzustellen, lehnte der Gerichtshof im vergangenen Jahr ab.