Nach zehn Jahren Haft Putin-Gegner Michail Chodorkowski ist frei

Das ging schnell: Gestern erst hatte Wladimir Putin die Begnadigung von Michail Chodorkowski angekündigt. Jetzt hat der ärgste Widersacher des russischen Präsidenten das Straflager bereits verlassen.

Russland berühmtester Gefangener, der Kremlgegner Michail Chodorkowski, ist nach zehn Jahren Haft wieder in Freiheit. Der 50-Jährige verließ das Straflager in der Stadt Segescha im Norden Russlands an der finnischen Grenze am Freitag um 12.20 Uhr (9.20 Uhr MEZ), wie die Agentur Interfax meldete. Aus angeblich humanitären Gründen hatte Präsident Wladimir Putin seinen Gegner kurz zuvor begnadigt. Einen entsprechenden Ukas veröffentlichte die Präsidialverwaltung am Freitag in Moskau.

Chodorkowski hätte regulär nach zwei international umstrittenen Urteilen im August nächsten Jahres aus der Haft entlassen werden sollen. Der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war 2003 festgenommen und zwei Jahre später zusammen mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedew wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Chodorkowski hatte sich offen zur Opposition bekannt. Der einst reichste Mann Russlands setzte sich zudem für den Bau einer von seiner Firma kontrollierten Ölpipeline nach China ein, die den staatlichen Firmen Konkurrenz gemacht hätte.

Geheimtreffen im Straflager?

Die russische Zeitung "Kommersant" berichtet unter Berufung auf anonyme Quellen, Anfang Dezember habe es ein Gespräch von Geheimdienstmitarbeitern mit Chodorkowski gegeben, bei dem kein Anwalt zugegen war. Dabei sei ihm gesagt worden, dass sich der Gesundheitszustand seiner krebskranken Mutter verschlechtert habe und ihm ein dritter Prozess drohe. Daraufhin habe sich der 50-Jährige an Putin gewandt.

Chodorkowskis Anwälte und seine Mutter hatten am Donnerstag angegeben, keine Kenntnis von dem von Putin erwähnten Gnadengesuch zu haben. Der Kreml-Kritiker hatte es bisher immer abgelehnt, um Begnadigung zu bitten, weil er ein damit verbundenes implizites Schuldeingeständnis vermeiden wollte.

"Handfeste Sensation"

Chodorkowski, der die zunehmende Korruption unter Putin kritisiert und auch die Opposition finanziert hatte, hält die Verfahren gegen sich bis heute für politisch gesteuert. Dass der frühere Yukos-Chef nun freikommt, wird auch als Versuch des Präsidenten gewertet, das Investitionsklima im wirtschaftlich schwächelnden Russland zu verbessern. Zudem gilt die Begnadigung als beispielloses Zugeständnis des Kreml an den Westen vor den Olympischen Winterspielen, die am 7. Februar in Sotschi am Schwarzen Meer eröffnet werden.

Russland sah sich zuletzt zunehmend wegen der Menschenrechtslage unter Druck. Mehrere Politiker, darunter US-Präsident Barack Obama und Bundespräsident Joachim Gauck, hatten angekündigt, auf Reisen an das Schwarze Meer zu verzichten. Kommentatoren in Russland nannten die Nachricht von der Begnadigung Chodorkowskis eine "handfeste Sensation".

"Signal für 'Gesundung' Russlands"

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte die Chodorkowskis Freilassung. "Das ist eine gute Nachricht", sagte Steinmeier in Berlin. "Das ist aber auch eine Nachricht, die uns darauf hinweist, dass wir die Gespräche mit Russland über Rechtsstaat und Menschenrechte auch in den nächsten Jahren mit Engagement weiterführen müssen."

Menschenrechtler lobten Putins Schritt und boten Chodorkowski eine führende Rolle beim Aufbau der Zivilgesellschaft in Russland an. Die Freilassung sei ein ermutigendes Signal für eine "Gesundung" der russischen Gesellschaft. Sie gebe Hoffnung, dass sich das internationale Ansehen des Landes verbessere, teilten die Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin (Regierung) und Michail Fedotow (Kreml) mit.

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mad/AFP/DPA