Frohe Kunde für Kreml-Kritiker Justiz überprüft Chodorkowski-Prozess

Kann der einstige Milliardär doch in seine russische Heimat zurückkehren? Die Chancen steigen. An Weihnachten erhielt Michail Chodorkowski eine frohe Botschaft vom Obersten Gericht Russlands.

Für den aus dem Straflager entlassenen Ex-Ölmilliardär Michail Chodorkowski gibt es neue Hoffnung auf eine Rückkehr aus seinem deutschen Exil nach Russland. Der Vorsitzende des Obersten Gerichts, Wjatscheslaw Lebedew, wies überraschend eine Überprüfung der zwei Strafverfahren gegen den früheren Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos an. Es gebe "neue Umstände", teilte ein Gerichtssprecher am Mittwoch Agenturen zufolge in Moskau mit.

Das Oberste Gericht ordnete für das erste wegen Steuerhinterziehung geführte Strafverfahren gegen Chodorkowski an, die damals festgesetzte Zahlungsforderung von 17,5 Milliarden Rubel (rund 388 Millionen Euro) zu überprüfen. Außerdem lässt Russlands höchster Richter Lebedew nun das zweite Urteil vom 27. Dezember 2010 wegen Öldiebstahls überprüfen.

Chodorkowskis Anwälte bezeichneten die Entscheidung als positives, wenn auch nur vorläufiges Zeichen. Es sei möglich, dass ihr Sohn nach Russland zurückkehren könne, wenn die vom Staat geforderte Summe gestrichen werde, sagte Marina Chodorkowskaja der Agentur Interfax.

Familie feiert Weihnachten und Silvester in Berlin

Kremlchef Wladimir Putin hatte Chodorkowski am Freitag nach mehr als zehn Jahren Haft begnadigt. Danach war der einstige Kreml-Kritiker sogleich nach Deutschland ausgereist. Seither hält er sich in Berlin auf, wo er erstmals wieder mit seiner ganzen Familie vereint ist. Seine Frau Inna und die drei Kinder der beiden seien am Dienstagabend in Berlin angekommen und mit dem 50-Jährigen und dessen Sohn Pawel aus erster Ehe zusammengetroffen, sagte ein Sprecher Chodorkowskis. Die Familie will die Weihnachtstage und den Jahreswechsel in Berlin verbringen.

Anschließend will Chodorkowski in die Schweiz ausreisen, wo seine Frau mit den 14-jährigen Zwillingen Gleb und Ilja lebt. Ein Schengen-Visum für drei Monate hat Chodorkowski bereits beantragt.

Chodorkowski hatte in Berlin gesagt, dass die hohe Geldsumme, die von ihm in Russland gefordert wird, der Hauptgrund sei, weshalb er nicht in seine Heimat zurückkehren könne. Er hatte auch seine Hoffnung geäußert, dass seine Klage gegen die Zahlungsforderung in seinem Sinne entschieden werde.

Chodorkowski warnt Pussy Riot vor Hass und Groll

In den vergangenen Tagen waren neben Chodorkowski auch die Musikerinnen der Band Pussy Riot im Rahmen einer Amnestie zum 20. Jahrestag der Verfassung freigekommen. Regierungskritiker sehen die Amnestie als Versuch Putins, vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi Kritiker im Westen zu besänftigen.

Die vorzeitige Haftentlassung der zwei Aktivistinnen lobte Chodorkowski. "Die Freilassung von politischen Gefangenen macht die Machthaber wenigstens ein bisschen humaner", schrieb er an Heiligabend auf seiner Internetseite. "Ich weiß, dass die vergangenen Monate für Sie eine echte Hölle waren", fügte er hinzu.

Im Gegensatz zu den Künstlerinnen hatte Chodorkowski sich von Russlands Präsident Putin begnadigen lassen. Die nach einer Protestaktion gegen den Kremlchef zu zwei Jahren Straflager verurteilten Frauen Nadeschda Tolokonnikowa (24) und Maria Aljochina (25) hatten ein Gnadengesuch abgelehnt. Die wegen Rowdytums verurteilten Aktivistinnen kamen nun im Zuge einer Massenamnestie frei - vor ihrem Haftende im März.

Chodorkowski warnte die zwei Aktivistinnen vor Gefühlen wie "Hass und Groll". "Das wichtigste ist nun zweifellos, Kraft zu finden, damit nach dieser schweren Prüfung der Gefängnisstrafe Hass und Groll keinen Platz im Herzen haben", schrieb Chodorkowski.

Moskauer Milde gegenüber Greenpeace-Aktivisten

Für die mit der russischen Justiz ebenfalls aneinander geratenen Greenpeace-Aktivisten gibt es ebenfalls gute Neuigkeiten: Russland lässt die Vorwürfe gegen die beim Protest gegen die Ölförderung in der Arktis festgenommenen Umweltschützer fallen. Bisher seien die Anschuldigungen gegen 19 Aktivisten zurückgenommen worden, es werde damit gerechnet, dass in Kürze alle 30 Aktivisten entlastet würden, teilte die Organisation am Mittwoch mit. Damit können die Umweltschützer das Land verlassen, sobald sie Ausreise-Visa erhalten. "Das ist der Tag, auf den wir gewartet haben, seitdem unser Schiff vor fast drei Monaten von bewaffneten Einheiten gestürmt wurde", sagte Kapitän Peter Willox.

Die Greenpeace-Aktivisten waren wegen Rowdytums angeklagt, ihnen drohten bis zu sieben Jahre Haft. Sie hatten eine Plattform des staatlichen Energiekonzerns Gazprom in der Arktis geentert und damit gegen Ölbohrungen in der Region demonstriert. Die Verhaftung der Greenpeace-Mitglieder hatte internationale Kritik auf sich gezogen.

DPA · Reuters
anb/DPA/Reuters