Russisches Amnestiegesetz Putin will Chodorkowski begnadigen

Überraschend hat Wladimir Putin den Ex-Oligarch Michail Chodorkowski begnadigt. Andere prominente Oppositionelle könnten sogar sofort von einem neuen Amnestiegesetz profitieren und sofort freikommen.

Kremlchef Wladimir Putin hat eine Begnadigung seines seit zehn Jahren inhaftierten Gegners Michail Chodorkowski, 50, angekündigt. Der frühere Milliardär habe ein Gnadengesuch gestellt, das er unterschreiben werde, sagte Putin am Donnerstag in Moskau vor 1300 Journalisten.

"Er hat mehr als zehn Jahre in Haft verbracht. Das ist eine ordentliche Zeit", sagte Putin vor Kameras des Staatsfernsehens. Er werde deshalb das Gnadengesuch in Kürze unterschreiben. Putin erinnerte daran, dass der einst reichste Mann Russlands stets auf ein solche Bitte verzichtet habe. Vor Kurzem allerdings sei ein Schreiben Chodorkowskis eingegangen. Zuletzt hatten die Moskauer Ermittler von der Vorbereitung eines neuen Verfahrens gegen Chodorkowski gesprochen. Das Vorgehen gegen den früheren Öl-Milliardär und scharfen Putin-Kritiker hatte international immer wieder Kritik ausgelöst.

Porträt Michail Chodorkowski

Der einst reichste Mann Russlands und ehemalige Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos landete vor zehn Jahren im Gefängnis, nachdem er Präsident Putin die Stirn geboten und öffentlich die zunehmende Korruption angeprangert hatte. Er wurde in zwei Verfahren wegen Steuerbetrugs, Geldwäsche und Öldiebstahls zu einer Gesamtstrafe von 14 Jahren verurteilt, die schrittweise reduziert wurde. Der inzwischen 50-Jährige sollte eigentlich 2014 freikommen.

Kein dritter Prozess

Der prominenteste Gefangene Russlands war 2003 festgenommen worden, nachdem er Putin öffentlich kritisiert hatte. Nach zwei umstrittenen Urteilen unter anderem wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung sollte Chodorkowski im August 2014 aus der Haft kommen. Für einen dritten Prozess gegen Chodorkowski sehe Putin keine Perspektive. "Ich verstehe insgesamt nicht so richtig, wo da noch ein Fall sein soll. Ich habe gehört, dass darüber gesprochen wird. Aber bis jetzt sehe ich keine Bedrohung hier für jemanden", so auf der Pressekonferenz Putin.

Putin reagierte damit auf neue Ermittlungen von Behörden. Die Bundesregierung, die USA und die Europäische Union fordern seit Jahren die Freilassung des Kremlgegners. Der Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos hatte stets befürchtet, dass der Kreml alles tun könnte, um ihn politisch weiter kaltzustellen.

Freilassung auch für Pussy Riot

Auch die beiden in Straflagern inhaftierten Musikerinnen der kremlkritischen Punkband Pussy Riot fallen unter die vom russischen Parlament erst gestern beschlossene Massenamnestie. Putin persönlich teilte dies am Donnerstag vor 1300 Journalisten in Moskau. Die Aussage galt als wichtiges Signal an den Strafvollzug, die zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilten jungen Mütter Nadeschda Tolokonnikowa, 24, und Maria Aljochina, 25, nun freizulassen.

"Sie können theoretisch noch heute herauskommen", hatte die Anwältin der Putin-Gegnerinnen, Irina Chrunowa, der Agentur Interfax vor Beginn der Pressekonferenz Putins gesagt. Die Angehörigen der beiden Aktivistinnen seien bereits zu den jeweiligen Straflagern gereist, um die Frauen zu begrüßen.

Putin bestätigte zudem, dass 30 Umweltschützer der Organisation Greenpeace unter den Gnadenakt fielen. Damit kommen sie nicht wegen Rowdytums vor Gericht. Sie können nach ihrem Protest gegen Umweltzerstörung in der Arktis das Land jetzt verlassen.

Zugeständnis an den Westen?

Die Staatsduma hatte am Mittwoch eine Massenamnestie beschlossen, die auch einzelne Gegner Putins betrifft. Der Strafvollzug hat laut der Anordnung sechs Monate Zeit, den Gnadenakt umzusetzen. Demnach müssen die beiden Frauen von Pussy Riot mehrere Dokumente vorlegen, um in Freiheit zu kommen - zum Beispiel einen Nachweis, dass sie das Erziehungsrecht für ihre minderjährigen Kinder haben.

Tolokonnikowa und Aljochina waren im vergangenen Jahr nach einem Anti-Putin-Protest in einer orthodoxen Kirche in Moskau wegen Rowdytums verurteilt worden. Das Vorgehen der Justiz hatte weltweit Kritik ausgelöst. Die Strafe würde im März enden. Dass sie nun freikommen, werten Beobachter als Zugeständnis des Kremls an den Westen vor den Olympischen Winterspielen, die am 7. Februar in Sotschi eröffnet werden.

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ono/DPA