Russland Wahlen nach Putins Geschmack

Soldaten müssen unter Aufsicht wählen, in Moskau fehlen teilweise die Kabinen, dafür konnten selbst die drei Russen auf Trinidad & Tobago sowie ein Kosmonaut ihre Stimmen abgeben. Nur einer ist am Wahltag entspannt: Der mutmaßliche Gewinner Wladimir Putin.

Wie eine Festung ist Russlands Zentrale Wahlkommission an diesem schneereichen Tag der 5. Parlamentswahl nach dem Ende der Sowjetunion gesichert. In Moskau verhindern Straßensperren aus Lastwagen und Gittern ein Durchkommen zur Kommission in der Seitenstraße nahe des früheren KGB-Hauptquartiers, dem Sitz des Inlandsgeheimdienstes FSB. "Die müssen ja wirklich Angst vor uns Wählern haben", sagt ein älterer Mann im dicken Wintermantel, als er kopfschüttelnd durch den Schnee stapft. Wer zur Wahlleitung will, muss einen Passierschein haben und bis zu fünf Polizeikontrollen und einen Metalldetektor überwinden.

Fast an jeder Ecke stehen Polizisten und Soldaten. Erstmals koordiniert der FSB laut Medienberichten ihren Einsatz. An Bahnhöfen und in Metrostationen verstärken Spürhunde die Polizeipräsenz, in jedem Wahllokal halten mindestens vier Sicherheitskräfte Wache. Von einem nie dagewesenen Sicherheitsaufgebot spricht die Zeitung "Kommersant". Fast eine halbe Millionen Mitarbeiter haben die Behörden abkommandiert, um Störungen oder Schlimmeres zu verhindern.

Nur vereinzelte Zwischenfälle

An dem bitterkalten Wahlsonntag werden nur vereinzelt Zwischenfälle bekannt, etwa die Verhaftung von 15 Homosexuellen. "Wir haben nichts Verbotenes getan und sind nur wählen gegangen", sagt der Organisator der verbotenen Schwulen-Demo, Nikolaj Aleksejew, dem Sender "Echo Moskwy". Die Männer und Frauen wollten auf die Wahlzettel "Nein zu Homophobie" schreiben. Beobachter der Oppositionsparteien Union Rechter Kräfte (SPS) und der Kommunisten beklagen, mancherorts keinen Zugang zu Wahllokalen zu haben. Die Menschenrechtsorganisation "Golos" spricht von über 1000 Rechtsverstößen. So hätten Soldaten in Kasernen unter Aufsicht wählen müssen.

In vielen Wahllokalen fehlten Kabinen. Im Wahllokal in der Schule Nummer 124 im Moskauer Stadtteil Dorogomilowo nutzen viele der vor allem älteren Wähler die Fensterbank als Schreibunterlage, um ihr Kreuz bei einer der elf Parteien zu machen. Die Galeristin Larissa druckst erst, als sie den Schein in die Wahlurne mit elektronischem Zählwerk wirft. Dann verrät sie aber doch, für Präsident Wladimir Putin gestimmt zu haben. "Er gefällt mir irgendwie, er ist enthusiastisch und so agil", sagt die Moskauerin über den Spitzenkandidat der Kremlpartei Geeintes Russland, der etwa im Sommer mit freiem Oberkörper medienwirksam posierte.

Putin zeigt sich bei der Abstimmung in Begleitung seiner Frau Ljudmila siegessicher. "Gott sei Dank, dass der Wahlkampf vorbei ist", sagt der 55-Jährige beim Plausch mit anderen Wählern, bevor er und seine Frau in ein Restaurant mit sibirischen Spezialitäten verschwinden. Doch nicht alle sind auf Putins Linie. "Die Funktionäre von "Geeintes Russland" verhalten sich heute wie die Kommunisten damals", sagt Taxifahrer Boris. Das Staatsfernsehen präsentiert einen freudenstrahlenden Putin. Die Bilder zeigen den gesamten Tag, wie eifrige Wähler an die Urnen strömen und mancherorts die Wahlbeteiligung auf 100 Prozent wie zu Sowjetzeiten steigen lassen.

Auch im All wird gewählt

Es werde alles getan, dass auch der Kosmonaut Juri Malentschenko auf der Internationalen Raumstation (ISS) und die Matrosen auf hoher See ihre Stimme abgeben, melden Medien. Am Nachmittag erreichen die Motivationsversuche für die Wähler einen vorläufigen Höhepunkt: Trotz eines leichten Erdbebens im Inselstaat Trinidad und Tobago habe die Wahl plangemäß organisiert werden können. "Die drei dort lebenden Russen konnten ihre Stimme abgeben", sagt der Nachrichtensprecher.

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Wolfgang Jung, Ulf Mauder/DPA