Während russische Truppen im Osten der Ukraine ihre Offensive verstärkt haben, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen, direkte Rüstungslieferungen der deutschen Industrie an die ukrainische Armee zu finanzieren. Dabei vermied es Scholz jedoch, beim Thema schwere Waffen konkreter zu werden.
"Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten uns zu sagen, welches Material sie in nächster Zeit liefern kann", sagte er am Dienstag in Berlin. "Die Ukraine hat sich nun von dieser Liste eine Auswahl zu eigen gemacht, und wir stellen ihr das für den Kauf notwendige Geld zur Verfügung." Darunter seien wie bisher Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrgeräte, Munition "und auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann".
Es gehe um Waffen mit "erheblicher Auswirkung"
Konkreter wurde der Bundeskanzler nicht. Es gehe um Waffen "mit erheblicher Auswirkung" wie diejenigen, die bisher schon geliefert worden seien und "Bestandteile von Artillerie". Von einer direkten Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland sprach er nicht. Nato-Partner, die Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine liefern, könnten aber Ersatz aus Deutschland erhalten. "Das ist etwas, was wir mit vielen anderen zusammen machen, die den gleichen Weg einschlagen wie wir." Sofortige Einsetzbarkeit und Verfügbarkeit seien bei den Waffenlieferungen wichtig. Scholz äußerte sich nach einer Videokonferenz mit Staats- und Regierungschefs internationaler Partner und den Spitzen von Nato und EU.
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßte, dass Scholz diesen Vorschlag aufgegriffen habe, kritisierte den Kanzler aber erneut. "Um Freiheit und Menschenrechte muss man aber kämpfen, die bekommt man nicht geschenkt. Dafür kam heute noch zu wenig Konkretes." Deutschland laufe noch zu sehr hinterher, erklärte sie via Twitter mit Blick auf andere Länder.
Auch aus der Union kam erneut Kritik. "Zu wenig - zu spät", das bleibe die bittere Bilanz nach der Pressekonferenz von Scholz, schrieb der stellvertretende Unionsfraktionschef Johann Wadephul (CDU) bei Twitter. "Deutschland liefert weiter keine schweren Waffen, d.h. lässt die Ukraine im Stich."
Sanktionen sollen Druck erhöhen
Deutschland hat bisher unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen und Maschinengewehre geliefert, außerdem Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Schutzausrüstung. Die Ukraine fordert aber auch schwere Waffen wie Kampfpanzer, Artilleriegeschütze und Kampfhubschrauber. Am Karfreitag war bekannt geworden, dass die Regierung Gelder zur Anschaffung von Militärgerät für die Ukraine deutlich aufstocken will.
Unterdessen bekundeten die USA und die Europäische Union ihre Bereitschaft zu weiteren Sanktionen gegen Russland. Die westlichen Verbündeten hätten "einen breiten Konsens" über die Notwendigkeit erzielt, den Druck auf Russland durch neue Sanktionen zu erhöhen, erklärte die italienische Regierung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte auf Twitter an: "Wir werden unsere Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen."
Derweil ist der Krieg im Osten der Ukraine in eine neue Phase eingetreten, nachdem russische Truppen ihre Angriffe im Donbass verstärkt haben. Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete von Luftangriffen auf mindestens 60 Ziele. Schwere Kämpfe wurden auch im südukrainischen Gebiet Saporischja gemeldet. Die USA gehen davon aus, dass die Angriffe erst der Auftakt von größeren Offensivaktionen Russlands sind. Wochenende eine Waffenruhe.
Selenskyj: Schlacht um den Donbass hat begonnen
Der ukrainische Präsident Wolodymr Selenskyj sagte in einer Videobotschaft: "Wir können jetzt feststellen, dass die russischen Truppen die Schlacht um den Donbass begonnen haben, auf die sie sich seit langem vorbereitet haben." Russland vermied den Begriff Offensive. Außenminister Sergej Lawrow bestätigte aber, dass die nächste Phase der "Spezial-Operation" begonnen habe.
Besonders dramatisch ist die Lage weiterhin in der schwer zerstörten Hafenstadt Mariupol. Russland forderte Hunderte Kämpfer in einem Stahlwerk noch einmal zur Kapitulation auf. Diese weigerten sich jedoch. Widersprüchliche Angaben gab es in russischen Medien über die Nutzung eines Fluchtkorridors von dem Gelände. "Niemand hat den rund um Asovstal gebildeten neuen humanitären Korridor für Zivilisten genutzt", sagte Alexej Nikonorow, ein Sprecher der prorussischen Separatisten, der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Das russische Fernsehen hingegen berichtete, dass 120 Zivilisten das Werk verlassen hätten. Nach russischen Angaben sollen sich rund 2500 Kämpfer in dem Werk verschanzt haben. Zudem sollen dort viele Zivilisten Zuflucht gesucht haben.