Auf Kollisionskurs Über dem Schwarzen Meer prallen Moskau und Washington aufeinander – und die USA ziehen bereits Konsequenzen

Zwei russische Kampfjets vom Typ SU-27 (Archivbild)
Zwei russische Kampfjets vom Typ SU-27 (Archivbild)
© Mykhaylo Palinchak / Action Press
Nach dem Zusammenstoß einer US-Drohne mit russischen Kampffliegern bezichtigt Washington Moskau. Dort werden die Anschuldigungen zurückgewiesen. Schlimmeres wird wohl nicht mehr aus der Beziehung erwachsen, glauben Experten.

Der Absturz einer US-Aufklärungsdrohne über dem Schwarzen Meer nach einem mutmaßlich von russischen Kampfjets provozierten Zusammenprall hat die Spannungen zwischen den USA und Russland weiter verschärft. Die US-Regierung warf Russland am Dienstag ein "gefährliches" und "unprofessionelles" Vorgehen vor und bestellte den russischen Botschafter in Washington ein. Das russische Verteidigungsministerium bestritt, für den Absturz der Drohne vom Typ MQ-9 Reaper verantwortlich zu sein.

Nach Angaben der US-Streitkräfte hatten zwei russische Kampfflugzeuge vom Typ Su-27 die US-Drohne am Dienstagmorgen auf "gefährliche und unprofessionelle" Weise im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer abgefangen. Die Kampfjets hätten zunächst Treibstoff auf die Drohne abgelassen, erklärte das regionale Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Stuttgart (US Eucom). Dann habe einer der Kampfjets den Propeller des unbemannten Fluggeräts berührt, das daraufhin abgestürzt sei.

"Unser MQ-9-Fluggerät führte Routineoperationen im internationalen Luftraum aus, als es von einem russischen Flugzeug abgefangen und gerammt wurde", erklärte US-Luftwaffengeneral James Hecker. "Das führte zu einem Absturz und kompletten Verlust der MQ-9." 

Pentagon-Sprecher Pat Ryder sagte in Washington, der russische Kampfjet habe den Propeller der Drohne "beschädigt". Das unbemannte Fluggerät sei daraufhin "nicht flugfähig" und "unkontrollierbar" gewesen, woraufhin es von den US-Streitkräften zum Absturz gebracht worden sei.

USA bestellen russischen Botschafter ein

Ryders Angaben zufolge waren die russischen Kampfjets zuvor rund 30 bis 40 Minuten lang neben der Drohne geflogen. Der russische Flieger wurde demnach durch die Kollision mit dem Drohnen-Propeller vermutlich auch beschädigt, konnte aber an einem nicht genannten Ort landen.

Angaben darüber, ob die US-Streitkräfte die Drohne aus dem Schwarzen Meer bergen wollten, machte der Pentagon-Sprecher nicht. Er machte auch keine Angaben über mögliche russische Versuche, an die US-Drohne mitsamt ihrer wertvollen Technologie zu kommen, und sagte lediglich, Moskau habe die Drohne nicht geborgen.

Das US-Außenministerium gab nach dem Vorfall bekannt, den russischen Botschafter in Washington einbestellt zu haben. Dabei wollten die USA ihren "starken Widerspruch gegen dieses gefährliche, unprofessionelle Abfangen" der Drohne zum Ausdruck bringen, sagte Ministeriumssprecher Ned Price. In Moskau habe bereits US-Botschafterin Lynne Tracy dem russischen Außenministerium eine "starke Botschaft" übermittelt.

Das russische Verteidigungsministerium bestritt aber, dass die Kampfjets für den Absturz der Drohne verantwortlich gewesen seien. Zwar hätten die Kampfjets die US-Drohne abgefangen. Es habe aber keinerlei "Kontakt" gegeben. Auch hätten die Kampfjets ihre Waffen nicht eingesetzt. Vielmehr sei die Drohne  nach einem "abrupten Manöver" in einen "unkontrollierten Flug mit einem Höhenverlust" übergegangen und dann auf die Wasseroberfläche aufgeschlagen.

Lösung per Diplomatie

Nato-Diplomaten in Brüssel sagten, sie gingen nach dem Vorfall nicht von einer Eskalation aus. Ein westlicher Militärvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die diplomatischen Kanäle zwischen Russland und den USA dürften aktiviert werden. "Ich gehe davon aus, dass diplomatische Kanäle das abmildern werden."

Am Schwarzen Meer liegt unter anderem die Ukraine, gegen die Russland Krieg führt, und die von Russland annektierte Halbinsel Krim. Die USA fliegen schon seit langer Zeit Aufklärungsflüge über dem Schwarzen Meer und beobachten dabei russische Marineeinheiten. Nach Angaben des Pentagon kommt es immer wieder vor, dass russische Kampfjets US-Flüge abfangen. Das bedeutet aber normalerweise lediglich, dass Kampfjets Flüge eine zeitlang begleiten und möglicherweise zum Abdrehen auffordern.

Reaper-Drohnen können für Überwachungsflüge, aber auch für Angriffe mit Raketen und lasergesteuerten Bomben eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren haben die US-Streitkräfte mehrere Drohnen dieses Typs verloren – durch Abstürze oder feindlichen Beschuss.

AFP
Fabian Erik Schlüter / cl