Sicherheitsexperte Christian Mölling sieht gute Chancen, doch noch eine Vereinbarung mit Russland zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer zu erreichen. Mölling sagte im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", die russische Seite "erhöht die Temperatur in dem gesamten Konflikt rund um den Weizen". Das Ziel dieser Politik sei es aber nicht, die Ausfuhren dauerhaft zu verhindern, sondern dem Westen möglichst große Zugeständnisse für eine Fortsetzung der Transporte abzuringen. "Es geht darum, den Preis in die Höhe zu treiben", sagte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zum russischen Vorgehen, das in seinen Augen darauf hinausläuft, Hunger als Waffe einzusetzen. Russland hatte angekündigt, künftig alle Schiffe, die ukrainische Häfen anlaufen, als potenzielle Transporteure von Militärgütern zu betrachten – und damit als legitimes Ziel der eigenen Streitkräfte.
China und Südafrika könnten Druck auf Russland ausüben
Mölling sagte, man müsse abwägen, wie groß die Risiken für die Ukraine und ihre Unterstützer seien, wenn die Transporte weitergingen. Dann müsse überlegt werden: "Wie kann man die Kosten für Russland bei einem möglichen Angriff auf diese Schiffe erhöhen?" Russland baue zwar gerade eine Drohkulisse auf, doch sei nicht ausgemacht, dass dies auch zum Erfolg führe. Er verwies darauf, dass nicht nur afrikanische Staaten ein großes Interesse an den Getreidelieferungen hätten, sondern auch China – der wichtigste Partner Russlands.
China, Südafrika und weitere Länder könnten Russland sagen: "Du schadest uns damit und letztlich dir." Der Experte erwartet, dass die Vereinten Nationen – wo Russland als Ständiges Mitglied ein Vetorecht im Sicherheitsrat hat – wenig beitragen können.Am Ende gehe es bei der Lösung des Konflikts um reine Machtpolitik. "Die klassische institutionelle Welt, wo Rechtstaatlichkeit und Verbindlichkeit funktionieren, funktioniert hier nicht." Entscheidend seien andere Mechanismen: "Wenn du das weiter machts, machen wir A, B, C und D." Die Frage sei nun, "was wird in den nächsten Tagen und Wochen auf internationaler Bühne passieren, um diese Situation einzufangen".
Putin ist bereit, sehr weit zu gehen
Dabei riet Mölling dazu, sich nicht vom russischen Präsidenten Wladimir Putin einschüchtern zu lassen. "Ich würde Russland unterstellen, dass es total rational handelt", sagte er. "Was es gemacht hat, ist zu unterstreichen, dass es bereit ist, sehr weit zu gehen." Diese Demonstration ziele auf die Debatten im Westen: "Sie wissen auch, dass wir im Westen jetzt wieder Schnappatmung bekommen bei dem ganzen Thema." Dies treibe den Preis für eine Einigung in die Höhe. "Ich glaube, Russland ist verhandlungsbereit. Wir müssen uns überlegen, wie wir den Preis unter Kontrolle bringen."