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Ukraine-Krieg Deutschland ist einer der größten Waffenlieferanten der Ukraine. Ist die Schützenhilfe kostenlos?

Bundeskanzler Olaf Scholz klettert auf einen Gepard-Panzer.
Bundeskanzler Olaf Scholz klettert auf einen Gepard-Panzer. Allein in der vergangenen Woche hat Deutschland zwei der Flakpanzer in die Ukraine geliefert
© Marcus Brandt / DPA
Einem Bericht zufolge ist die Ukraine inzwischen der drittgrößte Rüstungsimporteur der Welt. Die dringend benötigten Waffen kommen nicht zuletzt aus Deutschland. Aber ist die Hilfe der Bundesrepublik eigentlich "gratis"?

Zwei Gepard-Flakpanzer, zwei Grenzschutzfahrzeuge, sechs mobile Antennenträgersysteme: Die Lieferliste der Bundesregierung in der vergangenen Woche zur militärischen Unterstützung der Ukraine ist übersichtlich. Doch der Eindruck täuscht. Tatsächlich ist Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs einer der größten Waffenlieferanten der Ukraine – nur die USA, das Vereinigte Königreich und Polen schickten bislang mehr Ausrüstung.

Weit mehr als zwei Milliarden Euro hat sich die Bundesrepublik ihre Unterstützung für die Verteidiger bisher kosten lassen – und der Geldhahn ist weiter offen. Auch für dieses Jahr stellt Berlin Kiew Milliarden in Aussicht. Die braucht es auch. 

Ukraine ist der drittgrößte Rüstungsimporteur der Welt

Laut dem am Montag veröffentlichten Jahresbericht des schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) ist die Ukraine inzwischen der drittgrößte Waffenimporteur der Welt (nur Katar und Indien bewaffnen sich in größerem Maße). "Vor 2022 gab es kaum Waffenlieferungen an die Ukraine. Sie lagen auf einem sehr niedrigen Niveau – vor allem, wenn man ihre Größe und die Tatsache bedenkt, dass sie sich seit 2014 im Krieg befindet", sagte Sipri-Forscher Pieter Wezeman der Deutschen Presse-Agentur.

Die Zeiten haben sich geändert. Deutschland ist der viertgrößte Waffenlieferant für den drittgrößten Waffenimporteur der Welt. Doch: Muss die Ukraine die Milliarden für Munition, Panzer und Schusswaffen am Ende zurückzahlen oder ist die Solidarität am Ende "gratis"?

Bezahlt die Ukraine für deutsche Waffen?

Es gibt mehrere Wege, wie deutsche Waffen in die Ukraine gelangen können – in den meisten davon zahlt die Bundesregierung die Zeche.

Lieferung aus Bundeswehrbeständen

Waffenlieferungen, die sich direkt aus den Beständen der Bundeswehr speisen, sind für die Ukraine tatsächlich kostenlos, erklärte eine Regierungssprecherin im Januar gegenüber "ZDF Heute". Man erinnere sich zum Beispiel an die damals viel belächelte erste Lieferung im Januar 2022, als Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ankündigte, 5000 Helme in das von Russland akut bedrohte Land zu schicken.

Was da ist, ist da, so die Idee. Allerdings müssen die deutschen Streitkräfte natürlich auch mit den eigenen Vorräten haushalten. Was als Schützenhilfe in die Ukraine geht, will die Bundeswehr wenig überraschend alsbald wieder aufgestockt wissen.

Direkte Bestellung und Finanzierung über die "Ertüchtigungsinitiative"

Kiew kann Waffen auch direkt bei der deutschen Rüstungsindustrie bestellen – diese Rechnung übernimmt in der Regel die Bundesregierung. Dazu kann die Ukraine Gelder aus einem speziell dafür eingerichteten Hilfsfonds beantragen.

Die sogenannten "Mittel für die Ertüchtigungsinitiative" belaufen sich in diesem Jahr auf stolze 2,2 Milliarden Euro und sollen "vornehmlich der Unterstützung der Ukraine zugutekommen". Laut Bundesverteidigungsministerium ist der Topf dazu gedacht, den "lokalen Partner in die Lage zu versetzen, selbst für seine eigene und regionale Sicherheit zu sorgen". 

Die Bundesregierung veröffentlicht hierzu eine wöchentlich aktualisierte Liste aller bisher aus Mitteln der Ertüchtigungsinitiative finanzierten Lieferungen der Industrie. Im Zeitraum Januar 2022 bis März 2023 entsprächen diese einem Gesamtwert von rund 2,6 Milliarden Euro. Eine Einschränkung gibt es jedoch: Die Ukraine kann nicht ohne Einschränkung bei Rheinmetall, Thyssenkrupp und Co. ordern. Jeder Waffenexport ins Ausland muss vorab vom Bundessicherheitsrat genehmigt werden. Aus diesem Grund waren unter anderem Leopard-Kampfpanzer lange nur auf dem Wunsch-, nicht auf dem Einkaufszettel der Ukraine.

Sollte die Bundesregierung die Finanzierung einer Bestellung einmal nicht übernehmen, der Lieferung aber grundsätzlich zugestimmt haben, könnte die Ukraine theoretisch auch direkt bei deutschen Unternehmen einkaufen. Das soll bisher aber eher die Ausnahme gewesen sein. Berichten zufolge hat Berlin bislang alle ukrainischen Anträge auf Ertüchtigungshilfe genehmigt. 

Finanzierung durch die EU

Ein weiterer milliardenschwerer Topf, der derzeit fast ausschließlich zur Bewaffnung der Ukraine genutzt wird, ist die "Europäische Friedensfazilität" (EFF).

Wer wieviel in den Topf wirft, ist durch einen Verteilungsschlüssel geregelt. Als wirtschaftsstärkstes EU-Mitglied zahlt Deutschland am meisten ein. EU-Staaten, die Waffen in die Ukraine geliefert haben, sollen auf diesem Weg sozusagen entschädigt werden. Theoretisch könnte sich also die Bundesrepublik ihre Kosten für die Hilfe erstatten lassen.

Dies ist übrigens erste Mal in der Geschichte der EU, dass sie die Lieferung von tödlichen Waffen an ein Drittland genehmigt hat.

Erst im Februar hatte der Rat der Europäischen Union beschlossen, die Hilfeleistungen für die Ukraine weiter aufzustocken – auf insgesamt 3,6 Milliarden Euro. Finanziert wird das Ganze von Beginn an durch die EFF.  Am Ende zahlt also die EU als Gemeinschaft für die Ukraine-Hilfe.

Ringtausch

Auch über den vielbeschriebenen Ringtausch erhält die Ukraine aus ihrer Sicht kostenlose Ausrüstung. Die Idee ist, dass Staaten schwere Waffen in die Ukraine schicken und Deutschland sie dafür mit moderneren Alternativen kompensiert. Liefert Slowenien beispielsweise Panzer sowjetischer Bauart in die Ukraine, kann sie modernen Ersatz aus Deutschland verlangen. Diese Ersatzpanzer kommen nicht aus Bundeswehrbeständen, sondern aus der deutschen Rüstungsindustrie. Die wiederum wird dafür mit Mitteln aus der Ertüchtigungshilfe bezahlt. 

Zusammengefasst muss die Ukraine also in den allermeisten Fällen nicht für deutsche Waffen zahlen. Aus deutscher Sicht dürfte sich die Unterstützung allerdings auf lange Sicht lohnen. Oder anders gesagt: Untätigkeit dürfe am Ende weitaus teurer werden.

Außerdem ist die Bundesrepublik zwar in absoluten Zahlen einer der größten Unterstützer der Ukraine. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind viele osteuropäische Nachbarn jedoch deutlich freigiebiger. Estland beispielsweise wendet mehr als ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Ukraine-Hilfen auf – mehr als jeder andere Verbündete.

Quellen: Bericht des Stockholm International Peace Research Institute; Liste der militärischen Unterstützungsleistungen der Bundesregierung; Rat der Europäischen Union; Institut für Weltwirtschaft Kiel; ZDF; "Augsburger Allgemeine"; DPA

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