VG-Wort Pixel

#GermanArms Wie Soldaten der Emirate mit Technologie aus Deutschland für den Krieg trainieren

#GermanArms: Recherche-Bündnis deckt Deutsche Rüstungsexporte im Jemen auf
Ein Recherchebündnis, bei dem der stern maßgeblich beteiligt ist, offenbart: Der Einsatz deutscher Waffen im Jemen-Krieg ist bedeutender als es die Bundesregierung öffentlich wahrhaben will. In Zusammenarbeit mit dem ARD-Magazin "Report München", der Deutschen Welle, dem niederländischen Recherchebüro "Lighthouse Reports" und dem Investigativnetzwerk "Bellingcat" hat das Recherchekollektiv zahlreiche Belege für den Einsatz deutscher Waffensysteme im Jemen-Krieg zusammengetragen – an Land, in der Luft und zur See.


OT Hans-Martin Tillack:
"Wir haben geguckt, wo sind Waffen exportiert worden und dann eventuell in den falschen Händen angelangt. Genau das versuchen wir hier. Wir haben eine Reihe von möglichen Waffensystemen ausgemacht, vor allem solche, die an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert wurden, und wo man den Verdacht nachgehen konnte, ob sie im Jemen benutzt werden. Die Deutsche Bundesregierung tut immer so als wüsste sie davon nichts. Erweckt den Eindruck, als wenn die deutschen Waffen alle in Saudi-Arabien und in den Emiraten geblieben und würden nicht im Jemen-Krieg eingesetzt. Wir haben jetzt bereits mehrere Waffensysteme gefunden, die aus Deutschland kommen."




Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate sind aktiv in den Krieg im Jemen involviert. Seit 2015 bombardiert Saudi-Arabien Gebiete im Jemen. Die Uno spricht von der "schlimmsten humanitären Krise" unserer Zeit. Im August 2018 schätzten UN-Experten die Zahl der zivilen Toten auf an die 6500. Wir zeigen, wie Waffen "Made in Germany" im Jemen-Krieg zum Einsatz kommen. Noch im Dezember 2016 billigte die Bundesregierung Zulieferungen für den Flugzeugtyp "Tornado" an Saudi-Arabien. Diese Videoaufnahmen zeigen einen abgestürzten Tornado im Januar 2018. Auch dieser Airbus A330 mit deutschen Komponenten wurde beim Betanken von saudischen Kampfjets an der Grenze zum Jemen gefilmt. Die Recherchen zeigen: Auf dem Wasser werden deutsche Kriegsschiffe im Jemen-Krieg verwendet. Zum Beispiel hier im Hafen von Mocha. Diese Aufnahmen zeigen ein Minenjagdboot des Typs "Frankenthal" im Hafen von Mocha. Bereits im März 2017 liegt eine Frankenthal im Hafen von Assab, Eritrea. Laut UN gilt Assab den Emiraten als militärischer Stützpunkt. Im Hafen von Assab befinden sich noch weitere deutsche Kriegsschiffe. Neben der Frankenthal liegt zum Beispiel dieses Raketenboot vom Typ "Muray Jib". Es wurde in Bremen hergestellt. Auch bei den Bodentruppen lassen sich anteilig deutsche Waffenprodukte finden. Dies ist eine Caesar Haubitze, ein französisches Artilleriegeschütz, das mit einem Fahrgestell der Marke Unimog versehen ist – einer Baureihe von Daimler. Die Caesar Haubitzen stehen auf saudischem Boden, haben allerdings eine Reichweite von bis 50 Kilometer. Damit erreichen ihre Geschütze Gebiete im Jemen. Öffentlich erweckt die Bundesregierung immer wieder den Eindruck, sie genehmige die Ausfuhr von Waffen nur, "wenn zuvor der Endverbleib dieser Güter im Endempfängerland sichergestellt ist". Die Erkenntnisse des Recherchebündnisses bringen die Bundeskanzlerin und ihre Minister in Erklärungsnöte.
Mehr
Der Rüstungskonzern Rheinmetall verkaufte den Vereinigten Arabischen Emiraten für mindestens 43 Millionen Euro ausgefeilte Systemelektronik für eine Übungsstadt. Das Rechercheprojekt #GermanArms hat den wahrscheinlichen Standort entdeckt.

Panzer rollen durch einen künstlichen Wassergraben, Soldaten rennen und suchen Deckung hinter Häusern, die keine Fensterscheiben haben und wie Attrappen ausssehen – Bilder eines Militärmanövers der Vereinigten Arabischen Emirate, das die offizielle Emirates News Agency im April 2018 veröffentlicht hat.

Das Rechercheprojekt #GermanArms, das vom stern, "Report München" und Deutscher Welle zusammen mit dem Recherchebüro Lighthouse Reports und dem Investigativ-Netzwerk Bellingcat getragen wird, konnte diese Bilder einem konkreten Ort zuordnen: Einer Übungsstadt in Al Hamra westlich von Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auf Satellitenbildern kann man erkennen, dass hier nahe einer existierenden Militärbasis mindestens seit 2013 eine neue Siedlungsstruktur entstand, deren Bau im Jahr 2017 weitgehend abgeschlossen scheint.

Hier ein Bild von 2013:

#GermanArms: Wie Soldaten der Emirate mit Technologie aus Deutschland für den Krieg trainieren
© Screenshot Google Earth

Und hier der Zustand im Jahr 2017:

#GermanArms: Wie Soldaten der Emirate mit Technologie aus Deutschland für den Krieg trainieren
© Screenshot Google Earth

Verschiedene Indizien sprechen dafür, dass es sich um den Standort des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) handelt, für das der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall in den vergangenen Jahren dem emiratischen Militär Technologie verkauft hat. Bisher war unbekannt, wo sich dieses Zentrum befindet. Die Bilder auf dem Video, das sich Al Hamra zuordnen lässt, gleichen sehr der künstlich angelegten digitalisierten Übungsstadt Schnöggersburg der Bundeswehr nördlich von Magdeburg. Für sie liefert ebenfalls Rheinmetall die Systemelektronik – seit 2016 und bis 2020, im Wert von 24 Millionen Euro. Das System ermöglicht es Soldaten, statt mit scharfer Munition mit Laserstrahlen zu feuern, deren virtuelle Einschusstellen dann von Sensoren erfasst und in einer Kommandozentrale ausgewertet werden können. "Das System ist in der Lage genau zu unterscheiden, ob ein Soldat leicht verletzt, schwer verletzt oder gar tödlich getroffen wurde", erklärte ein Rheinmetall-Mitarbeiter auf der Seite deutschesheer.de .

Auch die Soldaten auf dem Video aus Al Hamra (ab 0:38 in dem erwähnten Video) schießen nicht mit scharfer Munition, das ist klar zu erkennen. Zuletzt hatte die Bundesregierung dem Rheinmetall-Konzern für "Teile und Komponenten" für ein "mobiles Gefechtsübungszentrum" im März 2017 Ausfuhren an die VAE im Welt von 34,7 Millionen Euro genehmigt, Weitere Ausfuhren von 8,4 Millionen für den gleichen Zweck und das gleiche Empfängerland hatte Berlin im November 2016 durchgewunken. Zusammen macht das 43 Millionen Euro. Bereits im Jahr 2010 gab die Regierung grünes Licht für Ausfuhren an die Emiratis für ein  "Gefechtsübungszentrum" und verwandte Güter, für etwa 80 Millionen Euro. Den Herstellernamen hatte die Regierung hier allerdings nicht offengelegt.

Rheinmetall ließ Fragen des Rechercheprojekts #GermanArms zu dem Übungszentrum unbeantwortet. Dass die Rheinmetall-Technik in Al Hamra eingesetzt wird, dafür spricht aber auch, was ein Mitarbeiter auf dem Karriereportal LinkedIn als Einsatzort nannte. Er sei als Elektrotechniker seit Mai 2018 für Rheinmetall für ein "Tactical Engagement Simulation System" in der "Al Hamra Military Base" in den Emiraten tätig, verriet er dort.* Er installiere dort Simulationstechnik auf Fahrzeugen wie "BMP", "Leclerk" oder G6. Gemeint waren offenbar die – aus Frankreich stammenden und mit deutschen Motoren bestückten – Kampfpanzer Leclerc wie auch BMP-Panzer, die aus russischer Produktion kommen sowie G6-Haubitzen, die die VAE aus Südafrika importiert haben. 

Und bereits im Jahr 2007 sagte ein Rheinmetall-Manager in einem Interview, dass die Firma ein Angebot für die "Modernisierung" des Schießstands in Al Hamra  eingereicht habe. Man habe dafür "ein umfassendes Konzept" vorgelegt.

Bilder aus der Übungsstadt

Das Konzept hatte die Emiratis offenkundig überzeugt. Ihre Truppen stellen seit 2015 das Gros der Landstreitkräfte, das die von Saudi-Arabien angeführte Koalition im Bürgerkriegsland Jemen einsetzt. 

Konkrete Belege für das Training bestimmter später im Jemen eingesetzter Truppenteile in dem Rheinmetall-Zentrum in Al Hamra gibt es bisher nicht. Aber auf den Bildern aus der Übungsstadt vom April 2018 sieht man auf dem Dach eines der Häuser nicht nur den Kronprinzen Mohammed bin Zayed Al Nahyan, sondern auch den Chef des Generalstabs der VAE, General Hamad Mohammed Thani Al Rumaithi.

Bereits im April 2016 war er im Jemen, zu einem Besuch seiner Truppen am Ryan International Airport in Mukalla an der Südküste des Landes. Und zumindest drei der Waffensysteme, die der Rheinmetall-Techniker in Al Hamra nach eigenen Angaben betreute – die Leclerc- und BMP-Panzer wie die G6-Haubitzen – sieht man immer wieder auf Videos vom Einsatz der emiratischen Truppen aus dem Jemen.

* Unter dem Namen des Mannes, der sich noch vor einigen Wochen auf LinkedIn als Rheinmetall-Elektrotechniker auf der Militärbasis in Al Hamra in den VAE vorstellte, wurde der Eintrag auf der Karrierewebseite inzwischen geändert. Ursprünglich hieß es dort, er sei seit Mai 2018 für Rheinmetall auf der Militärbasis tätig. Jetzt sind diese Angaben verschwunden und der Mann diesen Namens sagt, er sei seit Mai 2018 als Elektronikingenieur für die Firma Romco Range Operations & Maintenance Company tätig, eine Firma, die ebenfalls militärische Übungsgelände in den Emiraten betreut.

Mehr zu den Recherchen lesen Sie im neuen stern, der am Donnerstag (28.02.) erscheint.   

#GermanArms: Recherche-Bündnis deckt Deutsche Rüstungsexporte im Jemen auf

Mehr zum Thema

Newsticker