Kevin McCarthy, Speaker im US-Repräsentantenhaus, ist kein natürlicher Feind der Ukraine. Der Republikaner hat schon mehrmals die Höhe der amerikanischen Hilfen in Frage gestellt – dann aber doch immer dafür gesorgt, dass seine Fraktion den Milliarden zustimmte.
Robert Fico, der populistische Wahlsieger vom vergangenen Wochenende in der Slowakei, kann kein Interesse daran haben, dass Russland siegt – sein Land grenzt im Osten immerhin an die Ukraine.
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki tat sich bislang als einer der treuesten Unterstützer der Ukraine hervor, sein Land hat so viele Flüchtlinge aufgenommen wie kein anderes, die Stadt Rzeszów im Osten ist Drehkreuz für die Waffen, die von Nato-Partnern ins Land geliefert werden.
Die Kriegsmüdigkeit ist mit Händen zu greifen
Vor zwei Wochen dann aber irritierte Morawiecki mit Äußerungen zum Krieg: "Wir liefern schon keine Rüstungsgüter mehr an die Ukraine, sondern rüsten uns selbst mit den modernsten Waffen aus." Morawiecki relativierte seine Äußerungen rasch, natürlich stehe man weiter an der Seite der Ukraine – hängen blieb aber der Eindruck: Im Wahlkampf ist alles erlaubt. Auch mal eben die gemeinsame Front gegen Russland in Frage stellen.
Politiker wie McCarthy, Fico und Marowiecki spielen ein riskantes Spiel. Eher sogar: ein unverantwortliches Spiel. Im Jahr zwei der russischen Invasion ist die Kriegsmüdigkeit im Westen mit den Händen zu greifen. Galt in den ersten Monaten des Kriegs die Hilfe für die Ukraine als Staatsräson, wurden ukrainische Flüchtlinge herzlich und offen empfangen, haben 18 Monate Krieg und Inflation, haben mehrere Hunderttausend geflüchtete Ukrainer, die Geld und Schulplätze brauchen, die Stimmung getrübt. In Deutschland zeigen das Rekordumfragewerte für die Russlandversteher der AfD deutlich.
Noch wichtiger für den Kriegsverlauf ist allerdings, was gerade in den USA geschieht. Bis Ende Juli 2023 haben die USA der Ukraine Unterstützung im Wert von knapp 77 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, davon mehr als 46 Milliarden in Form von Waffen, Panzern und Ausbildung. Ohne diese Hilfe hätte die Ukraine, da sind sich Militärstrategen einig, den Krieg längst verloren.
Nun lässt sich allerdings dort Mehrheitsführer Kevin McCarthy in Geiselhaft des ultrarechten Flügels seiner Partei nehmen. Er löste die Ukraine-Hilfe aus einem Last-Minute-Kompromiss zu Vermeidung des Shutdowns heraus, auch und vor allem: um seinen eigenen Job zu retten. Seit langem schon lästern Beobachter in Washington, wenig sei McCarthy so wichtig, wie das Renommee, dass er aus seinem Job als Speaker ziehe.
Die Folge davon umreißt der ehemalige US-Botschafter in Russland Michael McFaul in klaren Worten: "Das Repräsentantenhaus hat Putin heute ein großes Geschenk gemacht."
Putin nutzt jede offene Flanke
Der Wahlkampf ist ein elementares Element der freien Gesellschaft, genauso wie die Wahlen selbst. Hier können und sollten Stimmungen ausgelotet werden, es sollte um Positionen geworben werden, und ja, es darf auch mal bierzeltig werden und politisch unkorrekt.
Vom eisernen Püppchen bis zur Biber-Fresserin – das sind die Gesichter der Kreml-Propaganda

Solowjow ist einer der glühendsten Verteidiger, Anhänger und Befehlsempfänger von Wladimir Putin. Seine Mission: Botschaften, Ideen und Vorstellungen, die der Kreml platziert sehen will, in die Köpfe seiner Zuschauer zu prügeln. Dem Vater von acht Kindern ist dabei keine Provokation zu reißerisch, keine Beleidigung zu gehässig, keine Lüge zu halsbrecherisch, kein Widerspruch zu groß.
Damit hat sich der Talkmaster den Spitznamen Chamäleon verdient. Er dreht sein Fähnchen in jede Richtung, in der sein Herr im Kreml ihn haben will.
Solowjows Markenzeichen sind aber stets seine hasserfüllten Tiraden, ungehemmte Obszönitäten und Beleidigungen. Mit Schaum vor dem Mund ergeht er sich stundenlang auf seinem eigenen Kanal Solowjow Live. Das Ziel seiner Hetze wechselt je nach Lust und Laune – und den Vorgaben aus dem Kreml. Mal sind es LGBT-Vertreter, mal sind vermeintliche Vaterlandsverräter, mal Oppositionelle. Aber immer der Westen und die Ukraine. Dabei war Solowjow 2014 noch der Meinung, dass "Gott die Rückkehr der Krim zu Russland verbietet". Nach der Annexion änderte er jedoch schnell seine Meinung.
Sein zur Schau getragener Hass gegen den Westen hinderte ihn auch nicht daran, 1990 in die USA zu ziehen und dort an der Alabama State University zu dozieren. Sein Abscheu vor allem "Westlichen" war für Solowjow auch kein Hindernis, sich vier Villen den Ufern des malerischen Comer Sees zuzulegen. Seit er mit Sanktionen belegt wurde, weint er den Luxusimmobilen bitterlicher Tränen hinterher.
Was allerdings nicht sein darf: Wenn das Schielen auf Wählerstimmen dazu führt, dass man genau jenen in die Hände spielt, die von fairen Wahlen eher wenig halten – wie Wladimir Putin.
Putin, so hat es zum Beispiel die Publizistin Anne Applebaum hier im stern beschreiben, so sehen es viele Beobachter, versteht nur die Sprache der Härte. Wer ihm eine offene Flanke bietet, wird das früher oder später zu spüren bekommen. Die gemeinsame Front zu wahren, kostet Kraft, auch und gerade im Wahlkampf. Aber jedem Politiker, ob in Washington oder Wroclaw sollte klar sein: Die Alternative hieße: Putin den Sieg zu schenken.