Nach fünf Jahren der liberalen Vorherrschaft steht ein Machtwechsel in Südkorea an: Der konservative Oppositionskandidat Yoon Suk Yeol hat die Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. In einem denkbar knappen Rennen setzte sich der 61-jährige frühere Generalstaatsanwalt Yoon bei der Wahl am Mittwoch mit einem hauchdünnen Vorsprung gegen seinen größten Rivalen von der regierenden Demokratischen Partei, Lee Jae Myung, durch. Der Abstand betrug weniger als ein Prozentpunkt – es war die engste Präsidentenwahl, die das Land jemals erlebt hat. Yoon beschrieb in der Nationalversammlung in Seoul seinen Triumph als "Sieg des Volkes". Oberste Priorität werde die "nationale Eintracht" haben.
Der linksliberale Lee gestand am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) seine Niederlage ein und gratulierte Yoon. Er wolle für den Ausgang der Wahl die ganze Verantwortung übernehmen. Nach Auszählung fast aller abgegebenen Stimmen entfielen auf Yoon 48,6 Prozent. Lee kam demnach auf 47,8 Prozent. Andere Bewerber spielten keine Rolle. Eine offizielle Bestätigung des Wahlergebnisses stand noch aus.
Präsidentenamt in Südkorea von enormer Bedeutung
Yoon gilt als politischer Neuling. Er trat erst im vergangenen Jahr in die Politik ein und wurde schließlich zum Kandidaten der größten Oppositionspartei, Partei Macht des Volkes (PPP), gekürt. Er tritt im Mai die Nachfolge von Präsident Moon Jae In an, der nicht noch einmal kandidieren konnte. Der Präsident wird für eine einmalige fünfjährige Amtszeit gewählt.
Für die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens hat die Präsidentenwahl eine enorme Bedeutung. Im Präsidialsystem des Landes laufen fast alle wichtigen Entscheidungen über das Staatsoberhaupt. Der Präsident kann auch gegen eine Mehrheit der Opposition im Parlament regieren. Dort hat die Demokratische Partei nach wie vor die Mehrheit.
Der knappe Ausgang der Wahl spiegelt nach Ansicht von Experten auch ein tief gespaltenes Land. "Eines der größten Probleme der koreanischen Gesellschaft ist die stark polarisierte politische Landschaft", sagt die Programm-Managerin Lim Sung Eun von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Das treffe auch auf andere Bereiche wie etwas die Geschlechtergleichstellung zu. Die soziale Integration sollte die erste Aufgabe des Wahlsiegers sein.
Außenpolitik als zentrales Thema
Die Wahl galt auch als Bewertung der jetzigen Regierung. Vor allem Skandale um ehemalige Regierungsvertreter und die galoppierenden Immobilienpreise hatten in weiten Teilen der Bevölkerung Unzufriedenheit hervorgerufen. Davon profitierten nach Meinung von Experten die Konservativen, die bei der Wahl vor fünf Jahren noch eine deutliche Niederlage erlebt hatten.
Neben dem wirtschaftspolitischen Kurs in den nächsten fünf Jahren ging es bei der Wahl auch um den Umgang mit der kommunistischen Führung in Nordkorea, die Zusammenarbeit mit dem Bündnispartner USA und das schwierige Verhältnis zu Japan. Auch im Handelskrieg zwischen den USA und China sieht sich Südkorea in einer schwierigen Lage.
Von Yoon, der der Regierung Versagen im Umgang mit Nordkorea vorwarf, wird im Streit um das Atomwaffenprogramm des Nachbarlandes eine härtere Gangart erwartet. Yoon hatte sich zudem die Bekämpfung der Korruption sowie eine deutliche Erholung der Wirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie zum Ziel gesetzt.
Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben der Nationalen Wahlkommission bei 77,1 Prozent und damit nur leicht unter der Beteiligung bei der Präsidentenwahl 2017. Für die Wahl waren knapp 44,2 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.