Eine Osama bin Laden zugeschriebene Stimme hat auf einem neuen Tonband die Muslime in aller Welt zum "Heiligen Krieg" und zum Aufstand gegen ihre unfähigen Herrscher aufgerufen. Das Band enthielt keine konkreten Drohungen zu möglichen Anschlägen in den USA oder anderen westlichen Staaten. Die Amerikaner und ihre Verbündeten führten einen "religiös-wirtschaftlichen Krieg" gegen die muslimische Nation, sagte der Sprecher auf dem Tonband, das der arabische TV-Sender El Dschasira ausstrahlte. El-Dschasira-Chefredakteur Ibrahim Hilal sagte der Nachrichtenagentur AP, sein Sender habe die Aufzeichnung am Sonntag erhalten. Er äußerte sich nicht dazu, auf welchem Weg ihm diese zugespielt wurde. Hilal zufolge hat das Band eine Länge von 47 Minuten. Davon wurden am Sonntag 14 Minuten ausgestrahlt. Die Botschaft muss in den vergangenen Wochen aufgezeichnet worden sein, da darin die Festnahme des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein erwähnt wird.
"Heute Bagdad, morgen Irak"
Die Stimme, die dem Anführer des Terrornetzwerks El Kaida gehören soll, deutete an, Washington könne unter einem Vorwand versuchen, nach dem Irak auch Saudi-Arabien unter seine Kontrolle zu bringen. "Heute Bagdad und morgen Riad", heißt es auf dem Tonband. Die arabischen Herrscher seien nicht in der Lage, die muslimische Nation zu verteidigen. Sie unterstützten Washington, weil sie Angst vor Veränderungen hätten. "Saddam mit seinem Verrat war ein Genosse der anderen arabischen Führer", sagte die Stimme, die der auf anderen Tonbändern, die vom US-Geheimdienst als authentisch eingestuft worden waren, sehr ähnelte.
Das Weiße Haus erklärte, der Geheimdienst CIA und andere Stellen prüften die Echtheit der Aufnahme. Das letzte von US-Geheimdienstexperten als wahrscheinlich authentisch eingestufte Tonband, das vom Führer des Terrornetzwerks El Kaida stammen soll, spielte El Dschasira im Oktober ab.
Ablehnung der Friedenspläne
Der Sprecher wetterte auf dem neuen Band zudem vehement gegen die von den Amerikanern eingesetzte provisorische irakische Regierung, den Friedensplan des Nahostquartetts sowie gegen die vor einigen Wochen in der Schweiz unterzeichnete private "Genfer Initiative" für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern. Ungläubige versuchten, die - den Muslimen als heiliger Ort geltende - El-Aksa-Moschee in Jerusalem zu zerstören, heißt es auf dem Band.
Außerdem warf der Sprecher den arabischen Golfstaaten vor, dass sie Mitglieder der irakischen Übergangsregierung empfangen hatten.
Britischer Außenminister hält Aufnahme für echt
Der britische Außenminister Jack Straw hält das am Sonntag aufgetauchte Tonband von Osama bin Laden für echt. "Soweit wir wissen, lebt Osama bin Laden noch", sagte er am Montag in einem Radiointerview mit dem britischen Sender BBC. Die Suche nach ihm habe hohe Priorität, erklärte der Minister. Er verteidigte die jüngsten Terror-Warnungen aus den USA, auf Grund derer die Fluggesellschaft British Airways eine Reihe von Flügen nach Washington gestrichen oder aufgehalten hatte. Die gleichen Medien, die jetzt von Panikmache sprächen, würden der Regierung im Falle eines Anschlags sofort lasche Sicherheitsmaßnahmen vorwerfen, sagte Straw, gab aber auch zu: "Die richtige Balance zu finden, ist schwierig."