Geländegewinne der Ukraine "Denkbar, dass thermobarische Waffen eingesetzt werden": stern-Experte über Putins Mittel zur Eskalation

Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin
Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin
© Gavriil Grigorov/ / Picture Alliance
Sehen Sie im Video: Die Ukrainische Armee rückt immer weiter vor – greift Putin jetzt zu extremeren Mitteln?














Gernot Kramper (stern) Ich würde das zum Beispiel nicht ausschließen, wenn die Kriegslage sich so ändern würde, dass die Krim verloren gehen könnte, dass die Russen zu diesen Mitteln greifen. Und im Prinzip ist es natürlich denkbar, dass sie derartige Waffen, die Auswirkung einer taktischen Atomwaffe haben, aber ohne eine Atomwaffe zu sein, versuchen einzusetzen.
Hendrik Holdmann (stern) Wird das Vorrücken der Ukrainer, sofern es denn fortgesetzt wird, Putin zu extremeren Mitteln zwingen? Du hast ja im Interview vor einigen Wochen gesagt, Russland ist immer noch 15 Minuten vom Sieg entfernt, Stichwort Atomwaffen.
Gernot Kramper (stern) Ja, das ist eine theoretische Möglichkeit. Man muss aber natürlich sagen, dass Putin selber offenbar davor zurückschreckt, Atomwaffen, auch taktische Atomwaffen, einzusetzen. Weil man könnte ja auch Atomwaffen einsetzen, die jetzt nicht so wie Hiroshima und Nagasaki jetzt ganze Städte einebnen, sondern mehr gegen militärische Ziele sind, wo auch der Fallout geringer wird. Und bisher sind die Russen davor zurückgeschreckt. Und das ist eine theoretische Möglichkeit und die muss man auch immer bei mancher Sieges-Sicherheit auch im Kopf behalten. Ich würde das zum Beispiel nicht ausschließen, wenn die Kriegslage sich so ändern würde, dass die Krim verloren gehen könnte, dass die Russen zu diesen Mitteln greifen. Aber das steht im Moment überhaupt nicht an. Andere Mittel zu steigern, dürfte den Russen definitiv schwerfallen. Ihre Luftwaffe kommt ja nicht so richtig in die Vorherrschaft, weil die Luftabwehr zu stark ist. Und nur mit Raketen und Lenkwaffen, die auch nur sehr begrenzt sind, erreicht man nicht die Vernichtungswirkung wie mit großen Bombenangriffen. Um nur ein Beispiel zu sagen: So ein Kampfbomber, der transportiert jetzt 9,10,12 Tonnen Sprengmittel, wenn er voll beladen ist natürlich. Und eine eine Cruise-Missile transportiert 700 Kilo. Also da sieht man schon den Unterschied. Klar, die Missile ist jetzt präzise, aber im Prinzip könnte auch der Kampfbomber mit Lenkwaffen ausgestattet werden. Das sind einfach ganz andere Dimensionen. Und so ein Bomber, wenn man tatsächlich die Luftherrschaft hat, so wie die Amerikaner das in ihren Kriegen haben, der kann zur Not auch mehrmals am Tag eingesetzt werden – und er ist immer noch erhalten. Die Cruise Missile ist ja immer weg, wenn sie abgeschossen worden sind, und das können die Russen nicht. Im Prinzip könnten sie natürlich. Die Russen haben ja so exotische Waffen wie sehr starke Thermobarische Waffen im Angebot oder im Arsenal. Und im Prinzip ist es natürlich denkbar, dass sie derartige Waffen, die die Auswirkung einer taktischen Atomwaffe haben, aber ohne eine Atomwaffe zu sein, versuchen einzusetzen. Aber da muss man auch ein günstiges Ziel haben. Es nützt ja nichts so einen Riesen-Bomber abzuwerfen und dann sind drei Panzer und 20 Mann vernichtet und ein Wald nebenbei noch. Man muss da auch eine entsprechende Konzentration finden. Und in diesem Krieg ist es nicht so, dass die Truppen derart konzentriert sind. Also, sehe ich persönlich im Moment schwierig, wie Russland das weiter eskalieren sollte, so mit irgendwelchen Wunderwaffen. Grundsätzlich könnten natürlich weitere Truppen nachgeschoben werden.
Die Offensiven der Ukraine im Norden und Süden des Landes bringen die russische Armee in Bedrängnis. Insbesondere im Norden musste Russland große Geländeverluste hinnehmen. Sollte sich der Trend fortsetzen, könnte Putin das zu extremeren Mitteln zwingen. stern-Experte Gernot Kramper erklärt, welche Waffen Russland dann einsetzen könnte.