Triumph des US-Präsidenten Obamas Zittersieg mit klarem Ausgang

  • von Jan Rößmann
Mit deutlichem Vorsprung bei den Wahlmännerstimmen sichert sich Barack Obama für weitere vier Jahre das Weiße Haus als Heimatadresse. Dabei hatten Experten ein Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit.

Siegesgewissheit sieht anders aus: Mitt Romney jettete kurz nach seinem offiziell letzten Wahlkampfauftritt mit Musiker Kid Rock noch kurzfristig nach Pennsylvania und Ohio auf Stimmenfang, Barack Obama buhlte mit Bruce Springsteen bis kurz vor Öffnung der Lokale um Unentschlossene. "Wir haben genügend Wähler, um zu gewinnen, es ist nur die Frage, ob sie auch kommen", meinte der Amtsinhaber, was ziemlich unsicher wirkte. Kein Wunder.

Die zwei Kandidaten lagen in den letzten Umfragen landesweit praktisch gleichauf. In den heiß umkämpften Swing States deuteten die meisten Erhebungen auf ein extrem knappes Ergebnis. Experten rechneten mit langen Verzögerungen durch Nachzählungen. Es galt gar als möglich, dass der Sieger erst Tage nach der Wahl feststehe. Doch es kam anders.

Am Ende war es ein klares Ergebnis. Obama triumphierte klar über Romney. Der Republikaner bekam das umgehend zu spüren. Noch am Wahlabend wendeten sich führende Parteimitglieder von ihrem Spitzenkandidaten ab und kritisierten offen dessen Kampagne als zu moderat. Erzkonservative TV-Moderatoren bereiteten ihre Anhänger auf das niederschmetternde Debakel vor. Wenig später meldeten die großen TV-Sender Obamas Sieg im wichtigen Bundesstaat Ohio. Damit fielen so viele Wahlmänner auf den Demokraten, dass Mitt Romney aus dem Rennen war. Der Unterlegene rief den Präsidenten an und gestand seine Niederlage ein. Für eine Wiederwahl hätten einem Bewerber 270 der 538 Wahlmännerstimmen ausgereicht. Obama kommt ohne die Stimmen Floridas auf 303. Ein deutlicher Sieg.

Offenbar lag die Mehrheit der Institute daneben

Tappten die Wahlforscher im Dunkeln? Haben Experten versagt? Die Wahrheit ist kompliziert: Das knifflige Mehrheitswahlrecht der USA erschwert Vorhersagen, die sich auf die entscheidenden Wahlmännerstimmen beziehen – trotz der Ermittlung von Millionen Daten durch Dutzende unterschiedliche Institute. Das System neigt zu eindeutigen Siegen. Denn die einzelne Stimme eines Bürgers könnte über bis zu 55 Wahlmännerstimmen entscheiden. Dem in einem Bundesstaat siegreichen Kandidaten werden alle Wahlmänner zugeschlagen, der Verlierer geht leer aus. The winner takes it all.

Mittlerweile ist klar: Obama vereinigt nicht nur die Mehrheit der Wahlmännerstimmen auf sich; auch bei der "popular vote", also den landesweit abgegeben Stimmen, führt der Amtsinhaber eindeutig: 86 Prozent aller US-Bürger, die zur Abstimmung gingen, sind ausgezählt, über eine Million Wähler mehr haben sich für Obama entschieden. Wie konnten die Ersteller der Vorhersagen so irren?

Die Kommentatoren der erzkonservativen Fox News geben dem unerwartet heftigen Wirbelsturm "Sandy" Mitschuld an Obamas überraschend großem Vorsprung: Während der Friedensnobelpreisträger sich als Menschenfreund präsentieren konnte, habe Romney tagelang keine Rolle mehr in den Medien gespielt. "Sandy" hin oder her - nicht alle Wahlforscher vergaloppierten sich.

Der Mathe-Nerd ließ alle Kritiker erblassen

Der Sender NBC und das Wall Street Journal hatten Obamas Vorsprung in den entscheidenden Staaten Florida und Ohio vor dem Wahltag angedeutet. Und der junge Analytiker Nate Silver sorgte abermals für großes Staunen: Der 34-jährige Mathe-Nerd prophezeite Obama am Tag vor der Wahl eine Siegchance von mehr als 86 Prozent. Schon bei der Präsidentschaftswahl 2008 hatte er in 49 von 50 Bundesstaaten den Sieger vorausgesagt. Das Nachrichtenmagazin "Time" kürte ihn daraufhin zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt.

Selbstverständlich gifteten die Republikaner gegen den Propheten. Der TV-Moderator Joe Scarborough beschimpfte den studierten Wirtschaftswissenschaftler als "Witz". Der Analytiker konterte via Twitter mit einer Wette: Bei einem Sieg Obamas müsse der konservative Ex-Kongressabgeordnete Scarborough 2.000 Dollar an ihn abdrücken. Heute ist klar: Silver war sich seiner Sache zu Recht sicher.