John Lauro setzt voll auf Mike Pence. Der Anwalt von Donald Trump glaubt, dass eine Aussage des ehemaligen Vizepräsidenten seinen Mandanten im Verfahren wegen Verschwörung gegen den Staat von allen Vorwürfen entlasten wird. "Mike Pence wird einer unserer besten Zeugen im Prozess sein. [...] Ich kann es kaum erwarten, Herrn Pence ins Kreuzverhör zu nehmen", sagte Lauro am Sonntag Moderator George Stephanopoulos in der ABC-Sendung "This Week". "Basierend auf dem, was Vizepräsident Pence sagen wird, wird die Regierung niemals in der Lage sein, ohne begründeten Zweifel zu beweisen, dass Präsident Trump unlautere oder kriminelle Absichten hatte."
Pence hatte am 6. Januar 2020 die Kongresssitzung zur Bestätigung des Sieges von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl geleitet und war von Trump offen aufgerufen worden, das Prozedere zu blockieren. Lauro behauptet aber, dass Trump seinen damaligen Stellvertreter niemals gedrängt habe, die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler zu kippen. Er habe lediglich um Aufschub gebeten.
"Die ultimative Bitte an Vizepräsident Pence war, die Auszählung zu unterbrechen und den Bundesstaaten die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen", erklärte Lauro am Sonntag in der CBS-Sendung "Face the Nation". Trump sei davon überzeugt gewesen, dass es bei der Wahl Unregelmäßigkeiten gegeben habe, die von den staatlichen Behörden untersucht werden müssten, bevor das Ergebnis bestätigt werden könne – Behauptungen, die zu der Zeit bereits von zahlreichen Gerichten zurückgewiesen worden waren.
Pence erhebt schwere Vorwürfe gegen Trump
Sollte Lauros Vorfreude auf einen möglichen Auftritt von Pence im Zeugenstand echt sein – und nicht nur taktisches Anwaltsgeplänkel – dürfte sie am Sonntag einen deutlichen Dämpfer bekommen haben. Denn Pence, der wie Trump um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bei der Wahl 2024 kämpft, wies die Aussagen des Verteidigers geradewegs zurück: "Sie haben mich gebeten, die Wahl zu annullieren. Ich hatte kein Recht, die Wahl zu annullieren", sagte der 64-Jährige in der CNN-Sendung "State of the Union".
Trump habe bereits im Dezember "überzeugt" gewirkt, dass Pence berechtigt sei, Wahlmännerstimmen aus den Bundesstaaten die Anerkennung zu verweigern, erklärte der ehemalige Vizepräsident. Und am 5. Januar hätten Trumps Anwälte ihm gesagt: "Wir wollen, dass Sie Stimmen direkt ablehnen." "Er hat sich damals geirrt, und er irrt sich auch heute", betonte Pence.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Und dann schaltete der Trump-Rivale in den Wahlkampfmodus und wurde noch deutlicher: "Das amerikanische Volk verdient es zu wissen, dass Präsident Trump mich gebeten hat, ihn über meinen Eid auf die Verfassung zu stellen, aber ich habe meinen Eid gehalten und werde ihn immer halten", verkündete der Republikaner. "Und ich kandidiere für das Präsidentenamt, weil ich denke, dass jemand, der sich selbst über die Verfassung stellt, niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein sollte. Ich meine, unsere Verfassung ist wichtiger als ein einzelner Mann. Unser Land ist wichtiger als die Karriere eines einzelnen Mannes."
Smith hat Pence schon einmal vorgeladen
Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren, seine Niederlage aber nie eingestanden. Stattdessen verbreitete er die Lüge vom Wahlbetrug und versuchte gemeinsam mit seinen Anwälten und anderen Unterstützern, das Ergebnis nachträglich zu kippen. Am 6. Januar 2021 rief der abgewählte Präsident seine Anhänger in einer Rede in Washington dazu auf, zum Kapitol zu marschieren und "auf Teufel komm raus" zu kämpfen. Ein Mob aus Trump-Fans stürmte daraufhin den Kongresssitz.
Wegen seines Verhaltens nach seiner Wahlpleite wurde Trump am Donnerstag in Washington angeklagt. Sonderermittler Jack Smith beschuldigt den 77-Jährigen, eine Verschwörung gestartet zu haben, um die Vereinigten Staaten zu betrügen, Wählern ihr Wahlrecht zu entziehen und ein offizielles Verfahren zu behindern.

Smith hatte Pence schon während der Ermittlungen im Februar vorgeladen, und nach einigem juristischen Hin und Her war der Ex-Vizepräsident im April vor der für die Anklage verantwortlichen Grand Jury Rede erschienen. Im Sender CBS News machte der evangelikale Republikaner nun deutlich, dass er auch im anstehenden Prozess gegen Trump in den Zeugenstand treten würde, sollte er erneut vorgeladen werden:
"Wir werden auf den Ruf des Gesetzes reagieren, wenn er kommt, und wir werden einfach nur die Wahrheit sagen", kündigte Pence an. Angesichts der Aussagen des früheren Trump-Intimus von Sonntag dürfte es mit John Lauros Begeisterung dann endgültig vorbei sein.
Quellen: CNN, CBS News, Associated Press