Todd Blanche hatte immerhin noch genug Zeit zum Umziehen. Eine republikanisch-rote Krawatte, die macht bei Fox News mehr her als die blass violette, die er eben noch trug, als er an Donald Trumps Seite aus dem Gerichtsgebäude in der New Yorker Centre Street kam. Aber an der Grabesmiene, an der hielt er fest. Kein Wunder. Schließlich war sein Mandant als erster Ex-Präsident der US-Geschichte in einem Strafverfahren schuldig gesprochen worden.
Neue Erkenntnisse brachte Blanche nicht mit ins TV-Studio. Der Prozess sei von Beginn an unfair gewesen, Richter Juan Merchan befangen und so weiter. Doch egal wie der Jurist es dreht und wendet: Nicht nur für seinen Mandanten, sondern auch für ihn selbst ist das Urteil der Geschworenen eine heftige Klatsche.
Bereits vor der Urteilsverkündung hatten Experten gerätselt, ob Trump mit Blanche und Co. gut beraten sei. Nun stellt sich die Frage: War eine miese Verteidigung am Ende gar der Grund, warum der 77-Jährige jetzt mit einem Zeh im Gefängnis steht?
Erfolglosstrategie der Verteidigung: Leugnen statt Argumentieren
Es stimmt: In der Regel neigt die Jury dazu, der Staatsanwaltschaft zu folgen. Das macht Sinn, schließlich kontrolliert die zu Beginn das Narrativ, indem sie die Anklage vorträgt. Die Verteidigung ist naturgemäß in der Defensive. Doch hätten die Startvoraussetzungen für Team Trump schlimmer sein können.
Denn die Anklage stand von Anfang an auf wackeligen Beinen. Darüber täuschten weder die Flut angeblicher Beweise (über 200), noch das juristische Geschick von Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg hinweg. Weil in den USA Schweigegeldzahlungen grundsätzlich nicht illegal sind, musste sich die Offensive etwas anderes einfallen lassen: Nicht die Zahlung von 130.000 Dollar an Pornodarstellerin Stormy Daniels durch Trump-Fixer Michael Cohen habe gegen das Gesetz verstoßen. Weil der damalige Präsidentschaftskandidat den Geldfluss aber verschleiert habe, habe er den Wahlkampf 2016 manipuliert. Klingt verkopft? Ist es auch.
Hätte die Verteidigung ihre Karten richtig ausgespielt, "wäre es höchstwahrscheinlich zu einer Einstellung des Verfahrens gekommen", schreibt der ehemalige Bundestaatsanwalt Renato Mariotti in einem Gastbeitrag für die"New York Times". Blanche und Co. hätten alles auf die Diffamierung Cohens als Kronzeugen setzen müssen. Sie hätten den Geschworenen klar machen müssen, dass der als bekennender Betrüger weder glaubwürdig, noch als früherer Mitarbeiter neutral sein kann.
Stattdessen reagierte Team Trump auf jeden Vorwurf der Anklage nahezu allergisch, verwechselte Leugnen mit Argumentieren und verfing sich zusehends in absurden Ausreden. Auch das Kreuzverhör von Stormy Daniels ging aus Trump-Sicht völlig in die Hose. Die Verteidigung hatte Anwältin Susan Necheles in den Ring geschickt – in der berechtigen Annahme, dass es Geschworenen grundsätzlich begrüßen, wenn eine Frau das mutmaßliche Opfer eines sexuellen Übergriffs befragt. Doch Necheles gab den Vorteil aus der Hand, indem sie einen beeindruckenden Mangel an Einfühlvermögen zur Schau stellte. Am Ende war Daniels glaubwürdiger als vorher.
Schuldig in allen Anklagepunkten – der Prozess gegen Donald Trump in Gerichtszeichnungen

Donald Trump – ein fürchterlicher Mandant
Zur Verteidigung der Verteidiger ist zu sagen: Trump ist vermutlich ein furchtbarer Mandant. Als leicht entflammbares Alphatier, das er nun einmal ist, behinderte er sein Team im Grunde tagtäglich bei der Arbeit, indem er den Richter als korrupt bezeichnete, das Justizsystem der linken Hexenjagd bezichtigte und Zeugen als Lügner beschimpfte. Und das in Dauerschleife. Gut möglich ist auch, dass Trump sich jedem potenziellen Kompromiss verweigerte und seinen Juristen damit jeglichen Spielraum nahm.
Doch schwieriger Kunde hin oder her: Sollten die Geschworenen zum Prozessende noch irgendwelche Zweifel an der Schuld des Angeklagten gehegt haben, fegte die Verteidigung sie beiseite. Deren Schlussplädoyer am Dienstag geriet zu einer absurden Mischung aus Schwurbelei und Stand-Up-Comedy. In echter Trump-Manier polterte Blanche, Cohen sei "die menschliche Verkörperung des begründeten Zweifels" und der "Greatest Liar of All Time", der größte Lügner aller Zeiten. Cohen konterte später bei MSNBC: Wenn er der GLOAT sei, dann sei Blanche der "SLOAT: Stupidest Lawyer of All Time" – der dümmste Anwalt aller Zeiten.
Nun ist der Ex-Präsident mit Leugnen, Brüllen und Beleidigen bislang durchaus gut gefahren. "Diese Schreihals-Rhetorik mag bei einer Trump-Kundgebung oder einem Beitrag auf Fox News funktionieren, aber nicht in einem Gerichtssaal", fasst es "New York Times"-Experte Mariotti zusammen. Letztlich wurde Trump seine Neigung, sich mit Ja-Sagern zu umgeben, zum Verhängnis.
Quellen: "New York Times"; "Daily Beast"; "Politico"; "Fox News"