Erfolg bei Gegenoffensive "Alles liegt vor uns": Ukrainischer General spricht über Durchbruch an der Südfront

Die ukrainischen Streitkräfte hoffen, an der Südfront nun schneller voranzukommen
Die ukrainischen Streitkräfte hoffen, an der Südfront nun schneller voranzukommen
© DPA
Die Gegenoffensive der ukrainischen Truppen kommt offenbar voran: Der verantwortliche General Oleksandr Tarnavskyi beschreibt in einem Interview einen entscheidenden Durchbruch an der wichtigen Südfront.

In verlustreichen Kämpfen bissen sich die ukrainischen Truppen über Wochen die Zähne an den russischen Abwehrstellungen aus. Nun kommt die Gegenoffensive der Ukraine offenbar an kritischer Stelle voran. An der Südfront bei Saporischschja hätten seine Streitkräfte die erste Verteidigungslinie der Russen entscheidend durchbrochen, berichtet der ukrainische General Oleksandr Tarnavskyi in einem Exklusiv-Interview mit dem zum "Guardian" gehörenden "Observer". Von nun an erwarte er schnellere Fortschritte.

Schon in den vergangenen Tagen hatte es Berichte über Erfolge der ukrainischen Armee rund um den strategisch wichtigen Ort Robotyne gegeben. (Lesen und hören Sie hier eine Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling.) An diesem Schwerpunkt der Gegenoffensive versuchen die Ukrainer nach Süden durchzustoßen, um die strategisch wichtige Landbrücke zwischen der Krim und Russland zurückzuerobern. 

"Zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie"

Die Russen hatten diesen Bereich in Erwartung der Gegenoffensive mit starken Verteidigungsstellungen befestigt, unter anderem mit massiven Minenfeldern. Durch die erste und stärkste Linie sind die Ukrainer nach mühsamer Minenräumung nun durchgestoßen. "Wir sind jetzt zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie", sagte Tarnavskyi in dem Interview. Die ukrainischen Kräfte würden sich nun an beiden Seiten des Durchbruchs vorschieben, um das Gelände zu konsolidieren. "Im Zentrum der Offensive schließen wir jetzt die Zerstörung der feindlichen Einheiten ab, die den Rückzug der russischen Truppen hinter ihre zweite Verteidigungslinie decken."

Tarnavskyi schätzt, dass die Russen etwa 60 Prozent ihrer Zeit und Ressourcen auf den Ausbau der ersten Verteidigungslinie verwendet haben. Auf die zweite und dritte Linie entfielen nur noch je 20 Prozent des Aufwands. Moskau habe nicht damit gerechnet, dass die Ukrainer die erste Linie durchstoßen können, sagt der General, der im vergangenen Jahr auch die Truppen zur Rückeroberung von Cherson anführte.

Aber auch die Ukrainer hätten ihrerseits länger gebraucht als anfangs gedacht, um durch die Minenfelder zu kommen, sagt der General. "Unglücklicherweise war die Evakuierung von Verwundeten schwierig für uns. Das hat unser Vorrücken ebenfalls verkompliziert." 

Moskau zieht Verstärkung heran

In wochenlanger Kleinarbeit hätten Pioniere zu Fuß eine Route durch das Minenfeld gebahnt, während sie von den Russen aus ihren Stellungen mit Granaten und Drohnen beschossen worden seien. Nun aber, da das Hindernis überwunden sei, seien die Ukrainer zurück in ihren Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen und die Russen zu Manövern gezwungen.

Als Reaktion darauf ziehe Moskau bereits Truppen von anderen Frontabschnitten bei Cherson im Westen und Lyman im Nordosten sowie aus Russland als Verstärkung für die Saporischschja-Front heran. "Der Feind zieht Reserven ab, nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Russland. Aber früher oder später werden den Russen die besten Soldaten ausgehen. Das wird uns einen Anstoß geben, mehr und schneller anzugreifen", sagte Tarnavskyi. "Alles liegt vor uns."

Bei allem Optimismus, den Tarnavskyi verbreitet, benennt er aber auch die Schwierigkeiten, die vor den Ukrainern liegen. "Je näher der Sieg rückt, desto schwieriger ist es", sagt der General. "Weil wir leider die Stärksten und Besten verlieren. Deshalb müssen wir uns jetzt auf bestimmte Bereiche konzentrieren und die Arbeit zu Ende bringen. Egal, wie schwer es für uns alle ist."

bak