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Präsidentenwahl in der Ukraine Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj

Ein Politikneuling hat bei der Präsidentenwahl in der Ukraine haushoch gesiegt. Hinter ihm steht ein milliardenschwerer Oligarch: Ihor Kolomojskyj. Hatte er eine Rechnung mit Amtsinhaber Poroschenko offen?

Wolodymyr Selenskyj ließ keine Flyer verteilen, verwehrte sich lange öffentlichen Debatten und tourte auch nicht durch die vielen Fernsehsender des Landes. In anderen Worten: "Ze!", wie der Schauspieler und Politikneuling wegen der beiden Anfangsbuchstaben seines Namens in der Ukraine genannt wird, hat einen etwas anderen Wahlkampf gefahren. Und ist bei der Präsidentenwahl spektakulär an Amtsinhaber Poroschenko vorbeigerauscht (lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen).

Der Wahlsieg von Wolodymyr Selenskyj, 41, ist eine Sensation. Der Politikneuling ein Phänomen. Eines, das ohne einen mächtigen Unterstützer allerdings kaum denkbar gewesen wäre: Ihor Kolomojskyi. 

"Bei dieser Wahl gibt es eigentlich nur zwei echte Kandidaten. Das sind Petro Poroschenko und Ihor Kolomojskyj", sagte Witalij Portnykow dem Deutschlandfunk kurz vor der Wahl. Er ist einer der einflussreichsten Publizisten des Landes und meint: "Poroschenko und Ihor Kolomojskyj halten in diesem Spiel die Karten in der Hand."

Man könnte den milliardenschweren Geschäftsmann, der laut "Forbes" auf einem Vermögen von rund 1,1 Milliarden Dollar sitzt, in diesem Zusammenhang also womöglich als Königsmacher bezeichnen. Oder als Königsmörder. Denn an Kolomojskyi, der sich im Bank-, Flug- und Ölgeschäft einen Namen machte, führte in der Ukraine lange kein Weg vorbei. Bis es jemand wagte, die Macht des Oligarchen empfindlich zu schmälern: Petro Poroschenko. Der Mann, der nun sein Amt an Selenskyj abgeben muss.

Die Ukraine und ihr "Diener des Volkes"

Ein kurzer Rückblick: Die Ukraine befand sich in einer Extremsituation. Ende 2013 träumten viele Ukrainer von einem demokratischen Rechtsstaat ohne Korruption. Bürgerproteste gipfelten in Straßenschlachten. Die Staatsmacht feuerte auf Demonstranten. Über 100 Menschen starben. Staatsoberhaupt Wiktor Janukowytsch floh nach Russland. Und Petro Poroschenko versprach nach der "Revolution der Würde", wie sie heute genannt wird, Aufbruch und Veränderung. Fünf Jahre später wird Poroschenko selbst vorgeworfen, zu unentschlossen gegen Korruption vorgegangen zu sein. Im April 2016 wurde sogar der Verdacht laut, er könnte eine Briefkastenfirma für Geldwäsche oder Steuerbetrug genutzt haben.

Bevor Poroschenko 2014 im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt wurde, kontrollierte Kolomojskyi Flughäfen, Airlines, die Privat Bank, auch im Gas- und Ölgeschäft kam Kolomojskyj große Bedeutung zu. Die "Welt" zitierte aus einem internen Papier deutscher Nachrichtendienste: "Der kolossale finanzielle Einfluss von Igor Kolomojskyj auf die politische Riege der Ukraine erlaubt es ihm, der neuen Führung des Landes praktisch seine Spielregeln zu diktieren." 

Und Poroschenko wagte es, den Einfluss Kolomojskyj in einer Reihe von Maßnahmen empfindlich zu schmälern. Er wurde als Gouverneur abgesetzt, die Privat Bank verstaatlicht, seine Macht im Öl- und Gasgeschäft begrenzt. 

Wie begeistert Kolomojskyi über seine Absetzung als Gouverneur war, lässt sich in einem Video begutachten. Es wurde von der ukrainischen Präsidialverwaltung veröffentlicht. Poroschenko und Kolomojskyi sitzen sich gegenüber. Der Präsident sagt beschwichtigend: "Ich bin überzeugt, dass Sie ein Patriot der Ukraine bleiben". Der geschasste Gouverneur entgegnet trocken: "Danke für die Zusammenarbeit."

Wie es besser geht, machte der neue Präsident Wolodymyr Selenskyj schon vor Amtsantritt vor – zumindest in den Augen vieler Fernsehzuschauer. In "Diener des Volkes" spielt Selenskyj einen Geschichtslehrer, der überraschend Präsident wird und etwas unbeholfen, aber unbestechlich und grundanständig regiert. Erst vor wenigen Wochen, also kurz vor den Wahlen, ist die dritte Staffel der extrem populären Serie mit Schmonzetten über das Präsidentenamt gestartet. Perfektes (Wahl-)Programm für den weitestgehend inhaltslosen Wahlkampf seiner neu gegründeten Partei, die übrigens auch "Sluha Narodu– also "Diener des Volkes" – heißt.  Zu sehen ist die Polit-Parodie auf dem beliebtesten Sender der Ukraine "1plus1", wo der Präsidentschaftswahlkampf 2019 als Schwerpunkt thematisiert wurde. Mehrheitlicher Eigentümer des Senders: Ihor Kolomojskyj. 

Welches Ziel könnte Ihor Kolomojskyj verfolgen?

Selenskyj antwortet gar nicht bis schmallippig auf Fragen, die die Finanzierung seines Wahlkampfes und die persönliche Verbindung zu Ihor Kolomojskyj betreffen. Dass er etwa seit Beginn seiner TV-Serie vor zwei Jahren 13 Mal nach Wien oder Tel Aviv gereist sein soll, den Wohnorten des Oligarchen, wurde erst durch Recherchen von Journalisten bekannt. Darüber berichtet auch "Zeit Online". Welches Ziel könnte Kolomojskyj verfolgen? Mit Selenskyjs Hilfe, so die Vermutung von Kritikern, will er wieder an verstaatlichte Teile seines Firmenimperiums herankommen.

Nun könnte Kolomojskyi also den Präsidenten zum mächtigen Verbündeten haben – so jedenfalls die Befürchtung von Kritikern. Die Comedyserie auf Kolomojskyjs Sender ist derweil vorerst beendet. Dabei wurde bis zuletzt heiß diskutiert, ob "Diener des Volkes" mit einem neuen Darsteller weiter gehen kann. Aber aus Kreisen der Serie hieß es nun deutlich: "Selenskyj - dieser Mensch ist unersetzlich."

Quellen:Deutschlandfunk, "Die Zeit", "Die Welt", "Forbes", Nachrichtenagentur DPA

fs

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