Die Aussage von Wolodymyr Selenskyj war klar: In einer Videoansprache am Montagabend forderte der ukrainische Präsident eine Flugverbotszone für russische Helikopter, Flugzeuge und Raketen über der Ukraine, um weitere Luftangriffe zu verhindern. Selenskyj ging sogar noch weiter: "Wir müssen diesem Staat den Zugang zu allen Häfen, allen Kanälen und allen Flughäfen der Welt verwehren." Damit brachte er eine weltweite Flugverbotszone ins Gespräch.
Was aber würde eine solche Maßnahme im Ukraine-Krieg bedeuten – und wie realistisch ist sie? In einer sogenannten "No-Fly-Zone", kurz NFZ, dürften keine Flugzeuge oder andere Flugkörper im Luftraum unterwegs sein. Oft werden Flugverbotszonen eingerichtet, um beispielsweise Sport- oder andere Großveranstaltungen vor Anschlägen zu schützen. Das Flugverbot wird dann militärisch überwacht. Und genau hier liegt in der Auseinandersetzung mit Russland der Knackpunkt.
Ukraine-Krieg: Nato müsste Flugverbotszone durchsetzen
Im Ukraine-Krieg würde eine Flugverbotszone bedeuten, dass russische russische Helikopter, Flugzeuge und Raketen nicht mehr in den ukrainischen Luftraum eindringen dürften. Natürlich müsste dies überwacht und im Zweifel auch durchgesetzt werden – es ist kaum davon auszugehen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin das Verbot freiwillig akzeptiert. Die Position, eine solche Flugverbotszone zu verhängen, hätte eigentlich nur die Nato. Damit stünde das nordatlantische Bündnis dann auch in der Pflicht, entsprechende Verstöße zu unterbinden. Das würde eine direkte Konfrontation zwischen Nato und Russland bedeuten – die Konsequenzen wären unabsehbar.
Käme es tatsächlich dazu, dass die Nato eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten würde, würde diese durch die Nato Response Force (NRF) durchgesetzt. Diese Eingreiftruppe besteht aus Kontingenten von Bodenstreitkräften, Luftstreitkräften, Marineeinheiten und Spezialeinheiten. Die NRF umfasst insgesamt bis zu 40.000 Soldat:innen, davon nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums rund 13.700 aus der Bundeswehr. Nach Beginn des Krieges hatte die Nato bereits 300 NRF-Kräfte in das ukrainische Nachbarland Rumänien verlegt.

Im Falle einer Flugverbotszone würde die Nato Awacs-Aufklärungsflugzeuge einsetzen, um mögliche Verstöße zu entdecken. Mit einem Flugzeug, das sich trotz Verbots im Luftraum befindet, würde zunächst Funkkontakt aufgenommen werden. Erfolgt keine Antwort, kann das Flugzeug von der militärischen Flugabwehr abgeschossen werden.
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Scholz lehnt Eingreifen in Ukraine-Krieg klar ab
Offensichtlich würde ein solche Vorgehen die nächste Eskalationsstufe im Konflikt zwischen dem Westen und Russland bedeuten. Der Krieg könnte sich dadurch schnell über die Ukraine hinaus ausweiten. Westliche Politiker lehnen die Einrichtung einer Flugverbotszone trotz der Forderungen des ukrainischen Präsidenten kategorisch ab. "Wir werden nicht militärisch eingreifen. Das gilt für die Nato, das wird sie nicht tun, und auch für alle anderen. Das wäre in dieser Situation falsch", stellte Bundeskanzler Olaf Scholz klar.

US-Präsident Joe Biden habe ebenfalls sehr deutlich gemacht, dass er nicht die Absicht habe, US-Truppen in einen Krieg mit Russland zu schicken, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Eine Flugverbotszone wäre ein Schritt in diese Richtung, denn diese müsste entsprechend umgesetzt werden. "Sie würde die Entsendung von US-Militär erfordern, um sie durchzusetzen, was einen direkten Konflikt, einen potenziell direkten Konflikt und einen potenziellen Krieg mit Russland bedeuten würde, an dem wir uns nicht beteiligen wollen", sagte Psaki.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat eine Beteiligung des Militärbündnisses am Ukraine-Krieg entschieden ausgeschlossen. "Die Nato wird keine Truppen in die Ukraine entsenden oder Flugzeuge in den ukrainischen Luftraum verlegen", sagte der Norweger. "Die Nato wird sich nicht an dem Konflikt beteiligen." Auch der britische Premierminister Boris Johnson sagte, ein Einschreiten der Nato in den Krieg stehe "nicht auf der Agenda". Man werde die Ukraine nach Kräften unterstützen, aber: "Wir werden in der Ukraine nicht gegen russische Truppen kämpfen."
Quellen: Bundesverteidigungsministerium / DPA / BBC