Erst vor wenigen Tagen wurde ein angeblicher Bericht des russischen Geheimdiensts FSB bekannt, in dem der Einmarsch in die Ukraine als Desaster beschrieben wurde. So seien wichtige Behörden weitgehend ahnungslos, was etwa Invasionspläne und Todeszahlen betrifft. Über den Ausgang heißt es in dem von Experten für echt befundenen, durchgestochenen Papier: "Russland hat keinen Ausweg mehr. Es gibt keine Optionen für einen möglichen Sieg, nur Niederlagen." Ob der Kreml diese Einschätzung teilt, ist unklar, allerdings kommen auch die amerikanischen Geheimdienste zu einem ähnlichen Schluss – was allerdings eine eher schlechte Nachricht ist.
"Putin ist wütend und frustriert"
So prognostizierte William Burns, Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, düstere Wochen für die Ukraine. "Ich glaube, Putin ist im Moment wütend und frustriert", sagte er bei einer Anhörung im US-Kongress über den russischen Präsidenten. "Er wird wahrscheinlich noch einen draufsetzen und versuchen, das ukrainische Militär ohne Rücksicht auf zivile Opfer zu zermalmen." Die nächsten paar Wochen würden vermutlich "hässlich", und die Kämpfe in den Städten noch schlimmer als bisher.
Eine nachhaltige Lösung sei für den Kremlchef nicht in Sicht, so der CIA-Chef. Es sei nicht absehbar, wie der Kremlchef in der Ukraine ein Marionettenregime oder eine pro-russische Führung aufrechterhalten könnte, die er gegen den massiven Widerstand der ukrainischen Bevölkerung zu installieren versuche. Gerade Putins Aggression bei der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 habe in der Ukraine jenes starke Gefühl nationaler Selbstständigkeit und Souveränität geschaffen, dem er heute gegenüberstehe.
"Explosive Mischung aus Gram und Ambitionen"
Für Putin sei der Angriff auf die Ukraine eine Angelegenheit von tiefer persönlicher Überzeugung. "Seit vielen Jahren schwelt in ihm eine explosive Mischung aus Gram und Ambitionen", sagte Burns. "Er hat ein System geschaffen, in dem sein eigener Beraterkreis immer enger wird. Covid hat diesen Kreis noch enger gemacht. Und es ist ein System, in dem es sich nicht als karrierefördernd erweist, wenn jemand sein Urteil in Frage stellt oder herausfordert."
Bei seiner Entscheidung für einen Angriff auf die Ukraine habe sich der russische Präsident komplett verkalkuliert, argumentierte der Geheimdienst-Chef. Putin habe gedacht, die Ukraine sei schwach und leicht einzuschüchtern. Zum anderen habe Putin wohl vermutet, die Europäer, insbesondere die Franzosen und die Deutschen, seien durch die Wahlen in Frankreich und den Führungswechsel in Deutschland abgelenkt und risikoscheu. "Drittens glaubte er, seine Wirtschaft sanktionssicher gemacht zu haben." Außerdem sei der Kremlchef zuversichtlich gewesen, dass er sein Militär modernisiert habe und es in der Lage sei, einen schnellen Sieg zu minimalen Kosten zu erringen. All diese Einschätzungen hätten sich als falsch erwiesen.
Ukraine hat angeblich Biowaffen
Angesichts dieser Entwicklungen wundert es auch nicht, dass der Kreml nach Rechtfertigungen für seinen Krieg sucht. So wirft Russland der Ukraine nach Angaben britischer Geheimdienste vor, nukleare oder biologische Waffen zu entwickeln. Diese Erzählung sei zwar nicht neu, werde aber seit Ende Februar verstärkt verbreitet, um die russische Invasion in die Ukraine nachträglich zu rechtfertigen, hieß es in einem Geheimdienst-Update aus dem britischen Verteidigungsministerium.

Moskau hatte zuvor angekündigt, Angriffe auf Gebäude der ukrainischen Waffenindustrie auszuweiten. Erst am Montag behauptete das russische Verteidigungsministerium, in der Ukraine gebe es ein Netzwerk von Bio-Laboren, die im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums arbeiteten. Internationale Faktenchecker haben diese Behauptung allerdings längst entkräftet.