Unicef schlägt Alarm Krankenhaus in Lwiw völlig überlastet – Triage bei verletzten Kindern droht

Zwei Männer heben ein Kleinkind am Bahnhof von Lwiw, Ukraine, in einen Eisenbahnwaggon
Mehr als die Hälfte der geflohenen Menschen aus der Ukraine sind Kinder (im Bild:  Mädchen am Bahnhof von Lwiw)
Ein verletztes Kind lebt – die Ärztinnen und Ärzte können es aber wegen knapper Ressourcen nicht mehr retten. Dieses Horrorszenario kann nach Angaben von Unicef jetzt im westukrainischen Lwiw bittere Realität werden.

Sie haben in ihrem Krankenhaus ein Aufklebersystem einrichten müssen. Vier Farben, die über Leben und Tod von Kindern entscheiden. Drei der Farben sichern Hilfe zu. Wer einen solchen Sticker bekommt, hat Glück im Unglück:

  • grün: Kind ist verletzt, aber ohne dringenden medizinischen Bedarf
  • gelb: Kind muss behandelt werden
  • rot: Kind muss unverzüglich behandelt werden

Für jene Kinder, die einen schwarzen Aufkleber bekommen, gibt es keine Hoffnung mehr.

Sie leben zwar noch, aber sie werden sterben. Die Ressourcen werden für andere kleine Patientinnen und Patienten gebraucht.

Krankenhaus in Lwiw völlig überlastet

Die Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus von Lwiw im Westen der Ukraine könnten schon bald vor der wohl schwersten medizinischen und ethischen Entscheidung stehen: Welches Kind müssen sie angesichts der Überlastung ihrer Klinik sterben lassen, damit andere Kinder überleben?

Triage nennt sich dieses Prinzip. Ein Dilemma, das hierzulande vor allem im Zusammenhang mit der möglichen Überlastung der Krankenhäuser wegen der Coronavirus-Pandemie diskutiert wurde. In Lwiw droht dieses Szenario Realität zu werden. Darauf weisen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef am mittlerweile 20. Kriegstag hin.

Ihren Angaben zufolge kommen immer mehr teils schwer verletzte Mädchen und Jungen aus anderen Regionen des von Russland angegriffenen Landes in Lwiw an, wo es noch verhältnismäßig sicher ist. Die 720.000-Einwohner-Stadt ist bisher nicht direkt von Kampfhandlungen betroffen. Ein großer Teil der Fluchtbewegungen aus der Ukraine wird über die Großstadt abgewickelt. Mehr als die Hälfte der geflohenen Menschen sollen laut Unicef Kinder und Jugendliche sein – im Schnitt kommen 55 in jeder Kriegsminute an, wie Unicef-Sprecher James Elder betonte.

Das Kinderhilfswerk und die WHO versuchen nach eigenen Angaben, das Krankenhaus von Lwiw mit Material zu versorgen. Doch: "Der einzige Weg aus dieser Katastrophe ist, den Krieg zu beenden, und zwar sofort", sagte Elder in Genf.

31 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen im Ukraine-Krieg

Genaue Zahlen über die in Lwiw behandelten und gestorbenen Kinder liegen nicht vor. Doch alleine die Tatsache, dass dort vorsorglich das Aufklebersystem eingerichtet werden muss, verdeutlicht die schiere Not im ukrainischen Gesundheitssystem durch den Krieg.

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Nach Angaben der WHO sind landesweit bereits 31 Gesundheitseinrichtungen angegriffen oder beschädigt worden. Angriffe auf Krankenhäuser gelten als Kriegsverbrechen.

Hinweis der Redaktion: Wir haben den Artikel aktualisiert und deutlicher gemacht, dass die Triage bislang noch nicht durchgeführt werden musste.

mit DP-Material