Russland hat die Ukraine in der Nacht und am Freitagmorgen erneut massiv mit Drohnen und Raketen angegriffen. Dabei kamen laut neuesten offiziellen Angaben aus Kiew mindestens 18 Menschen ums Leben. Die Zahl der Verletzten wurde am Mittag mit mehr als 100 angegeben, wie ukrainische Medien unter Berufung auf das Innenministerium meldeten.
Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj feuerten die Kremltruppen rund 110 Raketen auf sein Land ab, so viele wie seit Kriegsbeginn noch nie an einem Tag offiziell gemeldet wurden. Die ukrainische Luftwaffe berichtete sogar von 158 Geschossen. Der Großteil sei abgefangen worden, schrieb Selenskyj im Onlinedienst X. Die Schäden im zivilen Bereich seien groß, eine Entbindungsstation, Bildungseinrichtungen, ein Einkaufszentrum und viele private Wohnhäuser seinen getroffen worden. Seine Aussagen unterlegte der Präsident mit einem Video, das unter anderem ein völlig zerstörtes Einkaufszentrum zeigte.
"Heute hat Russland mit fast allem geschossen, was es in seinem Arsenal hat – mit Kinschal, S-300, Marschflugkörpern, Drohnen. Strategische Bomber haben Ch-101/Ch-505 (russische Marschflugkörper) abgefeuert", schrieb Selenskyj. Er sprach von einem terroristischen Akt, versicherte aber zugleich, dass die Ukraine darauf antworten werde. Russland werde seinen Angriffskrieg verlieren; und die Ukraine werde alles dafür tun, ihre eigene Sicherheit zu garantieren.
Bürgermeister berichten von massiven Angriffen
Die Bürgermeister der betroffenen Städte bestätigen den Beschuss: In Charkiw im Nordosten der Ukraine sprach Bürgermeister Ihor Terechow von einem "massiven Angriff", bei dem "mindestens sechs Explosionen" zu hören gewesen seien. Die regionale Militärverwaltung von Charkiw erklärte, Russland habe etwa zehn Angriffe auf die Stadt ausgeführt. Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, teilte mit, es habe zwei Angriffe gegeben. Lwiw liegt im Westen der Ukraine rund 70 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt und ist vergleichsweise selten Ziel von Angriffen.
In Odessa im Süden der Ukraine geriet nach Angaben von Bürgermeister Hennadij Truchanow ein Hochhaus bei einem "weiteren feindlichen Angriff" in Brand. Es sei von Trümmern einer abgeschossenen Drohne getroffen worden.
Schon in der Nacht hatte Russland die Ukraine aus mehreren Richtungen mit Drohnen und Raketen angegriffen. Lwiw sei von mehr als zehn Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed attackiert worden, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj auf Telegram weiter mit. Es soll mehrere Einschläge gegeben haben. Im Gebiet Sumy wurden durch den Einschlag einer Rakete in der Stadt Konotop drei Menschen verletzt, ein Mehrfamilienhaus und eine Werkstatt beschädigt. In Charkiw seien nachts ebenfalls mehr als zehn Raketen heruntergegangen.
Ukraine löst landesweit Luftalarm aus
Am Morgen folgte die zweite Welle der Luftangriffe. Wegen der Attacken wurde landesweit Luftalarm ausgelöst. Die Ukrainer waren dazu aufgerufen, sich in Luftschutzkeller zu begeben. Auch die Hauptstadt Kiew und die Industriestadt Dnipro gerieten ins Visier der Russen. Aus beiden Millionenstädten wurden Explosionen gemeldet. Unklar war zunächst noch, ob es sich dabei um Einschläge der russischen Raketen oder deren Abschuss durch die Flugabwehr handelte.
Russland hat vor mehr als 22 Monaten seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet und beschießt immer wieder auch zivile Ziele weit hinter der Front. Im vergangenen Winter waren vor allem Objekte der Energieversorgung Ziel russischer Angriffe. Experten warnen vor einer Wiederholung dieser Taktik in diesem Winter. Ziel Moskaus ist es, die Ukrainer in Kälte und Dunkelheit zu stürzen, um die Kriegsmüdigkeit zu erhöhen. Angriffe auf zivile Objekte gelten als Kriegsverbrechen.