In der Heimat, auf 8848 Meter Höhe, geht gerade die "Sterbesaison" zu Ende. 17 Menschen sind in den vergangenen Monaten am Mount Everest ums Leben gekommen oder werden vermisst. "Ein schlechtes Jahr", sagt Mingma Gyalje Sherpa, der Touren an den höchsten Punkt der Welt organisiert. Trotz solcher Unglücke bleibt der Berg-Tourismus einer der wichtigsten Einnahmequellen für den armen Himalayastaat. Sehr viel Geld kommt auch über die Auslands-Nepalesen ins Land. Und seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben einige von ihnen eine neue Joboption: Sie riskieren ihr Leben im fernen Europa. Für Staaten, die nicht die ihren sind.
Nepal auf der Seite des Westens
Einen Monat nachdem Wladimir Putin den Überfall auf das Nachbarland befohlen hatte, sorgte im fernen Asien ein junger Mann namens Pratap Basnet für Aufmerksamkeit: Im März 2022 wurde bekannt, dass der Nepalese an der Seite ukrainischer Soldaten gegen Russland kämpft. In seiner Heimat wurde debattiert, ob das so sein darf. Denn Neutralität ist eigentlich Staatsräson Nepals. Auch wenn sich die Regierung in dem Fall auf die Seite des Westens und damit gegen Russland gestellt hat. Der neue Ministerpräsident wiederum gilt als chinafreundlich.
Mittlerweile mehren sich die Berichte, dass sich auch andere Nepalesen als Söldner verdingen – und dabei in Diensten Russlands stehen. Als Anreiz, so die Seite "The Diplomat", diene dabei ein Lockangebot des Kremls. Vor rund einem Monat hat Wladimir Putin ein Dekret erlassen, das Ausländern eine schnelle Einbürgerung ermöglicht – wenn der oder die Interessenten sich für ein Jahr beim russischen Militär verpflichten. Die Schnellstaatsbürgerschaft gilt allerdings nur bei einem Einsatz im Krieg gegen die Ukraine, der in Russland "militärische Spezialoperation" genannt wird.
Hunderte von Nepalesen sollen sich seitdem der russischen Armee angeschlossen haben, heißt es, darunter seien auch Veteranen des Militärs von Nepal. Möglicherweise sind unter ihnen auch noch einige kampferprobte Soldaten. Denn zehn Jahre lang herrschte in Nepal Bürgerkrieg zwischen aufständischen Maoisten und der königstreuen regulären Armee. Der Konflikt endete 2006 mit der Abschaffung der Monarchie.
Afrikaner auf Seiten Russlands
Ausländische Soldaten sind sowohl auf Seiten der Ukraine als auch Russlands keine Seltenheit. Etwa in den Reihen der Söldnerheere wie der russischen Wagner-Gruppe. Die hatte vor einigen Wochen die Leiche eines Amerikaners vorgeführt, der für die Ukraine gekämpft hatte. Jüngst tauchten in sozialen Medien auch Bilder von Syrern auf, die angeblich unter russischem Kommando stehen sollen. Es ist aber unklar, ob das stimmt. Ebenso die Anzahl ausländischer Männer und Frauen, die an dem Konflikt beteiligt sind. Kiew schätzte die Zahl vor einem Jahr auf rund 20.000 und hat für sie sogar eine eigene Einheit eingerichtet, die "Internationale Legion". Ihr haben sich auch Nigerianer, Senegalesen und Algerier angeschlossen.
Nepalesische Söldner sind keine Seltenheit. Das Land hat eine lange Tradition, seine jungen Leute in fremde Armeen zu entsenden. So gehört es nicht nur zu einer der größten Truppensteller für die UN-Blauhelme, unter dem Namen "Gurkhas" haben Nepalesen schon vor 200 Jahren in der britischen und später der indischen Armee gedient. Zudem sollen aktuell auch einige Tausend bei der französischen Fremdenlegion sein.
Wie viele arme Länder ist auch Nepal von den hohen Energie– und Lebensmittelpreisen betroffen, deren Ursache auch im Ukraine-Krieg liegt. Gleichzeitig versucht die Regierung des Landes gute Beziehungen zu den großen Nachbarstaaten Indien und China zu unterhalten, die beide keine erklärten Gegner der russischen Invasion sind. Tatsächlich aber ist der kleine Staat nicht mehr als ein Spielball zwischen den Großmächten.
Nepalesische Jugend gefrustet
Anfang des Jahres wurde in Pokhara, der geografischen Mitte in der Nähe der Annapurna-Gebirgskette, ein Flughafen eröffnet, der von China finanziert wurde. Der Airport gilt als eine der chinesischen Schuldenfallen, in die Peking die Nachbarn lockt, um seinen Einfluss zu sichern. Indien wiederum behindert den Flugbetrieb, in dem es keine direkte Einflugschneise freigibt und Anflüge so unrentabel macht. Weil die Politik in Kathmandu wenig bis gar nichts gegen diese Einflussnahme auf Kosten der Bevölkerung unternimmt, wächst der Frust in der jungen Bevölkerung – und nicht wenige entscheiden sich, woanders ihr Glück zu suchen. Und sei es im Krieg.
In "The Diplomat" erzählt ein Nepalese, wie er zur russischen Armee gekommen ist. Der Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte, habe zunächst in Dubai in der Sicherheitsbranche gearbeitet. Dann aber hörte er, dass er in der russischen Armee mehr Geld verdienen könne. Deshalb sei er nach Moskau gereist und habe sich mustern lassen. Dass er als Rekrut geeignet sei, habe er auch den "gelockerten Voraussetzungen" zu verdanken, wie er sagt. "Früher musste man russisch sprechen können, mittlerweile reicht Englisch."
Quellen: DPA, AFP, Friedrich-Naumann-Stiftung, The Diplomat, ZDF, Newsweek, Alpin.de, N-TV, FAZ