Als vor 30 Jahren sowjetische Soldaten aus der DDR abzogen und die Nationale Volksarmee in der Bundeswehr aufging, konnte der Westen erstmals hinter die Kulissen des Kalten Kriegs schauen. Was er aber dort zu sehen bekam, entsetzte Politiker und Generäle: Kasernen ohne Kanalisation, Heizanlagen, die zur "Gefahr für die Bediener" werden (der damalige Wehrbeauftragten Alfred Biehle), schrottreife Waffensysteme, mit giftigen Chemikalien verseuchte Truppenübungsplätze und selbst die Bürger der DDR hatten Mitleid mit den Rotarmisten. Die einst so gefürchteten Warschauer-Pakt-Armeen erwiesen sich als Scheinriese auf wackeligen Beinen.
250 Milliarden für die russische Armee
Im Grunde hat sich seitdem nicht viel geändert. Die Invasion Afghanistans endete für die Sowjetunion kurz vor der Wende mit einer verstörenden Niederlage. In den beiden Kriegen in Tschetschenien eroberte Russland keine Herzen, sondern zerbombte nur Städte. Der Georgien-Krieg war zwar eine Machtdemonstration, dauerte aber auch nur fünf Tage. Und in Syrien haben die Kreml-Truppen zwar erfolgreich das Assad-Regime verteidigt, sind dort aber auch ohne Aussicht auf ein Ende in die Dauerkämpfe des zerfallenden Staats verwickelt. 2014, bei der Krim-Annexion, zeigte sich, dass die russische Armee in vielen Bereichen rückständig war. Vier Jahre später kündigte Putin eine umfassende Modernisierung an, rund 250 Milliarden Dollar hat er dafür in die Hand genommen.
Wirklich erhöht hat diese Summe die Schlagkraft des russischen Militärs aber offenbar nicht. Zumindest nicht nachhaltig. Statt wie im Fall der Ukraine-Invasion das Land in wenigen Tagen oder Wochen zu überrollen, wie von vielen Beobachtern erwartet, sind die Russen damit beschäftigt, ihre Verluste in Grenzen zu halten. Auch wenn der Ausgang des Einmarsches noch nicht absehbar ist, als Blitzkrieg ist die Invasion gescheitert.
"Wie marode ist Russlands Armee?"
"Die russische Führung muss mit einem völlig anderen Krieg gerechnet haben, und dann war sie handwerklich nicht in der Lage, die reale Lage zu bewältigen", sagt Ralf Raths, Direktor des Deutschen Panzermuseums im Interview mit dem stern. Und der britische "Economist" fragt auf dem Titel seiner neuesten Ausgabe: "Wie marode ist Russland Armee?"