Die Bundesregierung rückt nach Einschätzung von Sicherheitsexperte Christian Mölling immer weiter vom Kurs der israelischen Regierung im Gaza-Krieg ab. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international“: "Man ist sehr viel kritischer geworden.“ Zu Beginn des Konflikts habe Deutschland sich auf den Gedanken konzentriert, dass das Existenzrecht Israels Teil der deutschen Staatsräson sei. Dabei sind aber die Konsequenzen dieser Haltung nach den Worten des Forschungsdirektors der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik nicht ausreichend bedacht worden. Mölling fragte: "Wie gehen wir denn damit um, dass die Regierung des Staates, dem wir quasi Treue geschworen haben, Dinge tut, die nicht in Ordnung sind und möglicherweise Kriegsverbrechen darstellen?“ Es gehe darum, ob man die Haltung zum Staat Israel von der zu seiner Regierung trennen könne. Mit Blick auf einen möglichen internationalen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu machte Mölling deutlich, dass das Recht Vorrang vor anderen Erwägungen haben müsse. "Die Lösung dieses Dilemmas ist zu sagen: Natürlich bleiben wir beim Völkerrecht“, forderte der Experte. Deutschland können jetzt nicht über Bord werfen, was Grundlage seiner gesamten Politik ist. "Dann schneiden wir uns ins eigene Fleisch“, sagte er. "Dann sind wir zurück zu einer sehr interessegeleiteten Position.“
Keine Aussicht auf Frieden in Nahost
Wenig Hoffnung zeigte Mölling, dass es gelingen könne, den israelisch-palästinensischen Konflikt beizulegen. "Für eine ganze Generation“ seien die Voraussetzungen für Krieg und Gewalt geschaffen worden. Er sehe "gar keine gute Lösung zum jetzigen Zeitpunkt“. Der Gedanke an eine Zweistaatenlösung sei nicht realistisch, solange Israel keine Garantie habe, dass von palästinensischem Gebiet keine Bedrohung ausgehe. Eine permanente Besetzung durch israelische Truppen bringe aber auch keinen Frieden. Die Vereinten Nationen seien gelähmt, die Europäische Union uneins. Nach Möllings Einschätzung würde auch ein Waffenstillstand nicht zu dauerhaftem Frieden führen. „Wenn das Schießen aufhört, ist der Konflikt nicht vorbei“, sagte er. Es sei ein Riesenproblem zu verhindern, dass es morgen oder nächste Jahr wieder losgehe.