Nach tagelangen Unruhen scheint die Welle der Gewalt auf Frankreichs Straßen langsam abzuebben. In der Nacht zu Montag gab es nach Angaben des Innenministeriums keine schweren Vorfälle und bis 1.30 Uhr 78 Festnahmen – deutlich weniger als in den vorherigen Nächten zu diesem Zeitpunkt. Zwar kam es auch diesmal wieder zu einigen Krawallen, etwa in Lyon, wo die Polizei gegen eine rechtsextreme Gruppe Tränengas einsetzte. Gemessen an den heftigen Unruhen der vergangenen Tage mit Hunderten brennenden Autos und Gebäuden sowie teils mehr als 1000 Festnahmen während der Nachtstunden blieb es aber relativ ruhig.
Innenminister Gérald Darmanin hatte in der dritten Nacht in Folge auf massive Polizeipräsenz gesetzt. 45.000 Polizisten waren im ganzen Land im Einsatz, auch diesmal wieder mit gepanzerten Fahrzeugen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gab Darmanin erneut die Anweisung, entschlossen vorzugehen und Krawallmacher so schnell wie möglich festzunehmen.
Großmutter des Getöteten fordert Ende der Krawalle
In einem emotionalen Appell hatte sich auch die Großmutter des Jugendlichen, dessen Tod durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle am Dienstag die Unruhen ausgelöst hatte, einen Rückgang der Gewalt gewünscht. "Zum Glück sind die Polizisten da. Die Leute, die gerade etwas kaputt machen, denen sage ich: "Hört auf"." Die Randalierer hätten ihren 17 Jahre alten Enkel, der von einem Polizisten erschossen worden war, "als Vorwand genommen", sagte sie am Sonntag dem Sender BFMTV. Sie sei zwar wütend auf den Beamten, wolle aber nicht verallgemeinern. Der Polizist werde bestraft werden wie jeder andere auch. "Ich habe Vertrauen in die Justiz." Die Menschen auf den Straßen sollten ruhig bleiben und nicht alles kaputt machen.
Seit dem Tod des 17-Jährigen, dessen Familie aus Algerien stammt, wurde Frankreich vor allem nachts von massiven Krawallen erschüttert. Wiederholt kam es zu Plünderungen, Brandanschlägen und gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizisten und Randalierern. So wurden in den fünf vorhergehenden Nächten laut Innenministerium insgesamt rund 5000 brennende Autos, 10.000 brennende Mülleimer, fast 1000 in Brand gesetzte oder beschädigte Gebäude sowie 250 Angriffe auf Polizeiwachen gezählt. Mehr als 700 Sicherheitskräfte wurden verletzt. Jede Nacht wurden Hunderte Menschen festgenommen.
Frankreichs Präsident Macron will Gründe "gründlich verstehen"
Am Montag möchte sich Staatschef Emmanuel Macron mit den Präsidenten von Senat und Nationalversammlung treffen, wie der Fernsehsender BFMTV und die Zeitung "Le Parisien" am Sonntag nach einer Lagebesprechung Macrons mit Premierministerin Élisabeth Borne, Innenminister Darmanin und mehreren anderen Ministern berichteten. Am Dienstag sei dann ein Treffen mit den Bürgermeistern von mehr als 220 Gemeinden geplant, in denen es Ausschreitungen gegeben habe. Macron habe zudem Borne gebeten, am Montag die Vorsitzenden der Fraktionen im Parlament zu empfangen.
Frankreich brennt: Krawalle nach tödlichem Polizeischuss stürzen das Land in eine Krise

Macron wolle mit einer "sorgfältigen und längerfristigen Arbeit beginnen, um die Gründe, die zu diesen Ereignissen geführt haben, gründlich zu verstehen", erklärte das Präsidialamt. Die Regierung wolle erst die Ereignisse analysieren und dann Schlussfolgerungen ziehen.
Die Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs rief für Montagmittag zu Solidaritätskundgebungen vor allen Rathäusern des Landes auf. Seit Dienstag seien 150 Rathäuser oder Gemeindegebäude angegriffen worden, sagte der Verbandsvorsitzende David Lisnard.