Unruhen in Kinshasa "Niemand hatte Kämpfe erwartet"

In der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa liefern sich Regierungstruppen und bewaffnete Anhänger von Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba schwere Gefechte. Tausende Zivilisten sitzen zwischen den Fronten - darunter auch Deutsche.

Granaten explodieren, Schüsse überall. Einzelschüsse und dazwischen Salven aus automatischen Waffen. In der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa liefern sich Soldaten und Anhänger des bei der Präsidentschaftswahl unterlegenen Jean-Pierre Bemba heftige Gefechte. Die Regierungstruppen kämpfen mit den Rebellen um jedes einzelne Haus. Wie der britische Fernsehsender BBC berichtet, befanden sich bei Einbruch der Nacht zum Freitag noch tausende Zivilisten zwischen den Fronten.

Einer von ihnen ist der 24jährige Deutsche Stefan Koch*. "Ich war mit einem Fahrer im Stadtzentrum unterwegs und auf dem Weg ins Büro, als die Kämpfe ausbrachen", sagt er. "Seitdem sitze ich im Büro fest." Koch ist Mitarbeiter einer deutschen Entwicklungshilfe-Organisation und hält sich seit Februar in Kinshasa auf. Er ist einer von etwa hundert Deutschen, die in der Metropole mit über acht Millionen Einwohnern leben.

Überraschende Eskalation des Machtkampfes

Vor einer Woche hatte die kongolesische Regierung Bemba aufgefordert, seine umfangreiche Privatmiliz zu entwaffnen oder in die reguläre Armee zu integrieren. Bemba hatte dagegen protestiert, dass seine Leibwache künftig nur noch aus zwölf Sicherheitsbeamten bestehen solle. Die erneuten Kämpfe sind eine überraschende Eskalation dieses Machtkampfes.

Die Gefechte konzentrierten sich vor allem auf das Botschaftsviertel Kinshasas. Neben den Diplomaten leben dort viele hochrangige kongolesische Militärs. Die UN-Friedenstruppen haben hunderte Zivilisten in Sicherheit gebracht. "Das Gebiet, in dem Evakuierungen stattfinden, ist sehr klein. Es werden meines Wissens nach auch nur Diplomaten und Kinder evakuiert", sagt Koch. Er wird weiterhin im Büro ausharren müssen. Die kongolesischen Mitarbeiter der Entwicklungshilfe-Organisation haben hingegen das Büro verlassen. Ungeachtet der Gefahr versuchen sie, sich nachhause durchzuschlagen. Die Deutschen bleiben. "Draußen ist es einfach zu gefährlich", sagt Koch.

Aufgewärmtes Corned Beef mit Reis

Wenn das Büro auch mehr Sicherheit bietet als die Straßen Kinshasas - angenehm ist es hier nicht: Die Essensvorräte sind aufgebraucht. "Donnerstagmittag gab es aufgewärmtes Corned Beef mit Reis", sagt der Deutsche. Das waren alle Vorräte, die nach Kämpfen im August 2006 im Büro lagerten. "Seitdem habe ich nichts mehr gegessen." Immerhin funktioniert die Wasserversorgung noch.

Am schwersten tobten die Kämpfe am Nachmittag: "Es war Maschinengewehrfeuer und schwere Artillerie zu hören", so Koch. Zwei der Artilleriegeschosse schlugen in der Nacht in dem Gebäude ein, in dem die griechische und die spanische Botschaft sowie Büros des UN-Kinderhilfswerks UNICEF untergebracht sind. Das Gebäude wurde schwer beschädigt. Kein Diplomat oder Botschaftsangehöriger sei verletzt worden, teilte das griechische Außenministerium in Athen mit. Über einer Ölraffinerie am Hafen steigt dunkler Rauch auf. Wahrscheinlich wurde sie in Brand geschossen.

Haftbefehl gegen Bemba erlassen

"Es gab zwar erste Anzeichen seit letzter Woche, aber niemand hatte diese Kämpfe erwartet. Schließlich war es verhältnismäßig lange friedlich geblieben", sagt Koch. Die Gefechte in Kinshasa sind die ersten seit der Stichwahl am 29. Oktober 2006, bei der Präsident Joseph Kabila im Amt bestätigt worden war. Die Staatsanwaltschaft im Kongo erließ Haftbefehl gegen Bemba, wegen Hochverrats. Bemba soll sich in der südafrikanischen Botschaft von Kinshasa aufhalten. Generalstaatsanwalt Tsaimanga Mukenda beeindruckt das nicht. Weder sein Aufenthaltsort noch die Immunität Bembas als Senator werde ihn von einer Verhaftung abhalten, sagte Mukenda. "Wir werden ihn verfolgen, wo immer er sich auch aufhält". Im Parlament werde er die Aufhebung der Immunität beantragen.

"Seit dem Morgen nehmen die Kämpfe ab, dafür nehmen die Plünderungen zu", sagt Koch. Der Gouverneur von Kinshasa, Andre Kimbuta, sagte, die Streitkräfte seien dabei, die Kontrolle über die Stadt zurückzugewinnen. Auf beiden Seiten seien je etwa 500 Kämpfer im Einsatz, sagte ein Sprecher der UN-Mission MONUC. Die UN-Mission im Kongo mit etwa 17.000 Mann war während der Wahl von einer EU-Friedenstruppe unter Führung der Bundeswehr unterstützt worden. Die Bundesregierung hatte den viermonatigen Einsatz, der im Dezember endete, als Erfolg gewertet. Angesichts der erneuten Kämpfe gibt es verstärkt kritische Stimmen: "Es war möglicherweise doch wirkungslos, was wir da gemacht haben", sagte Bernhard Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands. Man müsse sich fragen, ob die Mittel dafür richtig investiert gewesen seien.

*Name von der Redaktion geändert

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