US-Präsident Bush in der Isolierzelle

US-Präsident Bush wollte mit seiner Rede zur Lage der Nation eigentlich alle Welt von seiner Irak-Politik überzeugen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die oppositionellen Demokraten griffen Bush heftig an, und auch in Deutschland gibt es offene Kritik.

US-Präsident George W. Bush hat mit seiner Rede zur Lage der Nation den Widerstand des Kongresses gegen seine Irak-Politik verschärft. Der Demokratische Senator Jim Webb forderte stellvertretend für seine Partei eine Abkehr von Bushs Kurs und einen zügigen Abzug der Truppen. Wenn der Präsident seine Strategie nicht von selbst ändere, würden ihm die Demokraten den Weg dazu weisen, kündigte Webb nach Bushs Rede vom Dienstagabend an.

Die neue Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, warf Bush gemeinsam mit dem Demokratischen Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, vor, den Willen des Volkes zu ignorieren. Der Kongress werde aber nicht über das Versagen von Bushs Politik hinwegsehen und den Präsidenten auf einen Kurswechsel im Irak verpflichten, hieß es in der Erklärung, die nach Bushs Rede vor den Abgeordneten und Senatoren veröffentlicht wurde.

Selbst in Bushs eigener Republikanischer Partei unterstützen inzwischen reihenweise Abgeordnete und Mitglieder das Nein der Demokraten zu der Truppenverstärkung, mit der Bush knapp vier Jahre nach dem Einmarsch die anhaltende Gewalt im Irak unter Kontrolle bringen will. Die Demokraten halten die Entscheidung für eine Eskalation des Krieges.

"Ereignisse in Sieg verwandeln"

Bush bezeichnete den Schritt in seiner Rede erneut als "beste Möglichkeit", im Irak noch einen Erfolg zu erzielen. "Es ist auch heute noch, auch noch in dieser Stunde möglich, das Ergebnis der Schlacht zu beeinflussen", sagte er. "Lasst uns zu unserer Entschlossenheit zurückfinden und die Ereignisse in einen Sieg verwandeln."

Webb hielt ihm entgegen: "Wir müssen eine neue Richtung einschlagen .... Wenn er dies tut, werden wir an seiner Seite stehen. Wenn er es nicht tut, werden wir ihm den Weg weisen." Webb forderte vor allem "eine sofortige Hinwendung zu einer starken, auf die Region abgestützten Diplomatie, eine Politik, die unsere Soldaten von den Straßen der irakischen Städte holt und eine Formel, die es unseren Kampftruppen erlaubt, den Irak bald zu verlassen."

Pläne sind "keine Überraschung"

In Berlin sind die Äußerungen von Präsident Bush zum künftigen Irak-Kurs der USA auf Zurückhaltung und zum Teil auch auf offene Kritik gestoßen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seien Bushs Irak-Pläne nach ihren Gesprächen mit dem Präsidenten sowie mit Außenministerin Condoleezza Rice "keine Überraschung" gewesen, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Mittwoch in Berlin. Die Kanzlerin stimme mit dem amerikanischen Wunsch nach einer Stabilisierung des Irak überein.

Nach Ansicht des Unions-Außenpolitikers Karl-Theodor zu Guttenberg ist eine "konsensfähige Irak-Strategie der USA" weiter nicht in Sicht. Bush habe es versäumt, dafür neue Akzente zu setzen. Eine weitere Erosion der Handlungsfähigkeit der USA im Irak hätte auch schwere Folgen für die deutschen Sicherheitsinteressen, warnte der CSU-Politiker. Die Irak-Politik der USA sei nicht besonders erfolgreich, meinte der Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), im Sender n-tv. Auch nach Bushs Rede werde der Kurs umstritten bleiben. Der US-Präsident bleibe in der Außenpolitik "stur", kritisierte Grünen-Vizefraktionschef Jürgen Trittin. Statt neuer Ansätze habe es nur "Durchhalteparolen" gegeben.

Wenig Applaus für Bush

In Washington bereiten Demokraten und Republikaner derzeit überparteiliche Resolutionen vor, mit denen der Kongress symbolisch ein nachdrückliches Nein zu Bushs Plänen sagen soll. "Ich schätze, dass es eine überwältigende Zurückweisung solcher Pläne geben wird", sagte der Demokrat Joseph Biden, der im neuen Senat den Vorsitz des Außenpolitischen Ausschusses übernommen hat. Vertreter seiner Partei bemühten sich, die beiden derzeit diskutierten Entwürfe zu einem zu verschmelzen und damit noch mehr Republikaner für den Beschluss zu gewinnen.

Dies würde einen besonders schmerzhaften Schlag für Bush bedeuten. Bislang hat er der wachsenden Kritik ohne große Zugeständnisse stand gehalten. Seine Republikanische Partei hat wegen des Irak-Kriegs die Kongresswahlen im November verloren, Bush selbst kann sich nur noch auf eine dramatisch geringe Zustimmung von 33 Prozent der Bevölkerung stützen, und potenzielle Nachfolger aus den Reihen der Konservativen sehen für den nun beginnenden Wahlkampf ihre Felle davonschwimmen.

Der Kongress hat keine Macht, Bushs Pläne zu stoppen. Er könnte allerdings Geld blockieren, das der Präsident zur Finanzierung der Truppenaufstockung beantragen muss. Die Demokraten haben offen gelassen, ob sie so weit gehen werden.

Während Bush in seiner Rede in erstaunlicher Offenheit die Rückschläge im Irak auflistete, senkte sich eine angespannte Stille über den Saal. Bei vielen Passagen versagten die Demokraten dem Präsidenten den Applaus. Auch Pelosi blieb sitzen und klatschte nicht. Als Präsidentin des Repräsentantenhauses saß sie während der Rede direkt hinter Bush und blickte mit steinerner Miene über seine Schulter in die Kameras.

Rauschenden Beifall von allen Seiten erhielt der Präsident lediglich ganz am Anfang, als er Pelosi als erste Frau an der Spitze des Repräsentantenhauses begrüßte. Es sei ihm eine große Ehre, seine Rede als erster Staatschef der USA mit den Worten "Frau Präsidentin" zu beginnen. Pelosi bedankte sich, und der Saal explodierte geradezu vor Applaus.

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Reuters/DPA