Knapp zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl bekommt der demokratische Kandidat Barack Obama immer mehr Unterstützung. So gab die renommierte Zeitung "New York Times" (NYT) am Freitag eine Wahlempfehlung für den Senator von Illinois ab. Und nach dem ehemaligen republikanischen Außenminister Colin Powell sagte auch der frühere Sprecher von Präsident George W. Bush, Scott McClellan, dem Demokraten in einem CNN-Interview seine Unterstützung zu. Laut einer neuen Umfrage im Auftrag der "NYT" und des Fernsehsenders CBS sank Obamas Vorsprung in der Wählergunst aber leicht auf 13 Prozentpunkte vor seinem republikanischen Gegner John McCain.
Obama habe während des langen und harten Wahlkampfs "bewiesen, dass er die richtige Wahl als 44. Präsident der Vereinigten Staaten ist", heißt es in einem vorab veröffentlichen Leitartikel der "NYT"-Freitagsausgabe mit dem Titel "Barack Obama for President". "Wir glauben, dass er den Willen und die Fähigkeit besitzt, den breiten politischen Konsens zu schmieden, der wesentlich für das Finden von Lösungen für die Probleme des Landes ist", schreibt die Zeitung, die sich bei den Vorwahlen der Demokraten auf die Seite von Hillary Clinton geschlagen hatte.
Die "NYT" stellte nicht nur Bush ein schlechtes Zeugnis aus, sondern auch McCain, den sie bei den Vorwahlen seiner Partei unterstützt hatte. Er habe einen "Wahlkampf der parteiischen Spaltung, des Klassenkampfs und sogar mit Andeutungen von Rassismus" geführt. Mit der Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, habe er außerdem eine Vizekandidatin ausgewählt, die "offensichtlich ungeeignet" für das Amt sei. In den vergangenen Tagen hatten bereits andere renommierte Zeitungen wie "Washington Post", "Los Angeles Times", "Boston Globe" und "Chicago Tribune" empfohlen, bei der Wahl am 4. November für Obama zu stimmen.
"Ich werde Barack Obama wählen", sagte auch Bushs Ex-Sprecher McClellan am Donnerstag laut Skript in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN, das am Freitag ausgestrahlt werden sollte. Der Demokrat könne mehr bewegen als McCain. Vor McClellan hatte am Sonntag vergangener Woche Bushs früherer Außenminister Powell Obama öffentlich seine Unterstützung zugesagt.
Laut einer Umfrage, die am Freitag in der "NYT" veröffentlicht werden sollte, wollen 52 Prozent der US-Wähler für Obama stimmen, 39 Prozent für McCain. Damit schrumpfte Obamas Vorsprung im Vergleich zur Vorwoche um einen Prozent. Bemerkenswert war demnach der deutlich geringere Rückhalt des Demokraten bei den nicht parteilich gebundenen Wählern. Hier sank sein Vorsprung gegenüber McCain um zwölf Prozentpunkte auf 45 Prozent Zustimmung gegenüber 39 Prozent für den Republikaner. Laut einer Umfrage der Quinnipac University sank Obamas Vorsprung in den Schlüsselstaaten Florida und Pennsylvania im Vergleich zum Monatsanfang leicht, in Ohio baute er seinen Vorsprung hingegen aus. In Europa ist laut einer Umfrage des Instituts Harris Interactive die Mehrheit für Obama. In Deutschland würden demnach 72 Prozent der Befragten für den Demokraten stimmen.
Weiter unter Druck geriet McCains Vizekandidatin. Nach der öffentlichen Empörung über den Kauf teurer Kleider und Schminke für sie legte die Bürgervereinigung CREW am Donnerstag bei der Wahlkommission Beschwerde gegen die Ausgaben in Höhe von rund 150.000 Dollar (rund 116.000 Euro) ein. Zudem soll Palin am Freitag zum zweiten Mal zum Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Entlassung eines Polizeibeamten befragt werden.
McCain gab sich dennoch siegesgewiss. Er plane für den 4. November eine "Siegeswahlnacht" in seiner Heimatstadt Phoenix, teilte sein Wahlkampfbüro am Donnerstag mit. McCain werde im Wahlkampf einen starken Schlussspurt hinlegen. Bei einem Wahlkampfauftritt in Ormond Beach in Florida warf McCain Obama erneut vor, er wolle die Steuern für einfache Bürger erhöhen.
Obama auf Hawaii eingetroffen
Obama setzte den Wahlkampf kurzzeitig aus, um seine kranke Großmutter Madelyn Dunham auf Hawaii zu besuchen, wo er am Freitag eintraf. Der 47-Jährige hatte in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS gesagt, seine Großmutter sei immer die "Säule" der Familie gewesen. Da er sich schon nicht von seiner Mutter habe verabschieden können, als diese im Alter von 53 Jahren an einem Krebsleiden starb, wolle er sichergehen, nicht den gleichen Fehler zweimal zu machen. "Meine Oma, mein Opa und meine Mum waren die Menschen, die während meiner Kindheit immer auf mich aufgepasst haben. Und meine Großmutter ist die letzte, die von ihnen noch da ist", sagte Obama.
Der Sohn einer US-Bürgerin und eines Kenianers wurde auf Hawaii geboren, wo er auch einen Teil seiner Kindheit verbrachte. Obama und sein Familie hatten zuletzt im August ihren Urlaub bei der Großmutter auf Hawaii verbracht.