US-Vorwahlen Was will Obama, was Clinton?

  • von Tobias Betz
Es ist ein heftiger, ein spannender Zweikampf: Hillary Clinton und Barack Obama ringen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten. Clinton setzt dabei auf Erfahrung, Obama verspricht den Wandel. Doch wofür stehen die beiden Konkurrenten eigentlich noch? stern.de gibt einen Überblick über ihre politischen Positionen.

Nach den Vorwahlen in Nevada steht es 2:1 im Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur der Demokraten zwischen Hillary Clinton und Barack Obama. Doch schon bei der nächsten Etappe South Carolina am 26. Januar könnte sich das Blatt wieder zu Gunsten von Obama wenden. Afro-Amerikaner machen dort rund die Hälfte der Wähler aus - es könnte ein entscheidender Vorteil für den schwarzen Senator aus Illinois sein. Bisher stand die Frage nach Erfahrung, die Clinton repräsentiert, oder "Change", dem Wandel, den Obama verspricht, im Mittelpunkt der Vorwahlen. Die inhaltlichen Differenzen spielten in der Öffentlichkeit eine kleinere Rolle. Wohl auch deshalb, weil beide Kandidaten in vielen Punkten übereinstimmen. In der Innenpolitik bieten beide das Standardprogramm der Demokraten. Große Unterschiede finden sich nur in der Gesundheitspolitik. Auch in der Außenpolitik gibt es einige Differenzen, besonders beim Thema Iran.

Experten sehen beide Kandidaten mit gemischten Gefühlen. "Obama spricht vom Wandel. Viele seiner Vorschläge sind aber noch sehr vage", sagt Robert Lieber, Politikwissenschaftler an der Georgetown Universität in Washington. Hillary Clinton dagegen setzt auf Erfahrung - für sie die wichtigste Eigenschaft eines amerikanischen Präsidenten. Walter Russel Mead, Experte für US-Außenpolitik am Think Tank "Council on Foreign Relations" widerspricht: "Erfahrung ist sicher hilfreich, aber viel wichtiger ist Glück und ein gutes Urteilsvermögen", so Mead. Dennoch: Das Obama-Fieber ist auch an den Experten nicht spurlos vorüber gegangen. "Obama bringt frischen Wind nach Washington, dem jungen John F. Kennedy nicht ganz unähnlich", meint Kollege Lieber.

Wirtschaft

Die New Yorker Senatorin Clinton hat ein 70 Milliarden-Dollar schweres Maßnahmenpaket vorgeschlagen, um eine mögliche Rezession abzuwenden. Es beinhaltet Ausgaben in Höhe von 40 Milliarden Dollar für Heizungsbeihilfen, eine Erweiterung der Arbeitslosenversicherung und Investitionen im Bereich Energieeffizienz. Der Rest des Geldes soll Familien mit niedrigem Einkommen zugutekommen, die von der Hypotheken-Krise betroffen sind. Sollte dies nicht helfen, schlägt Clinton weitere Ausgaben in Höhe von 40 Milliarden Dollar vor, mit denen Steuervergünstigungen für Angestellte mit niedrigem und mittlerem Einkommen finanziert werden sollen.

Obama hat einen Vorschlag vorgelegt, der für Arbeitnehmer eine sofortige Steuersenkung in Höhe von 250 Dollar vorsieht. Die Summe würde verdoppelt, sollte sich die Wirtschaftslage verschlechtern. Ältere Bürger kämen im Rahmen der Sozialversicherungszahlungen in den Genuss eines einmaligen Bonus in gleicher Höhe, der im Falle eines schweren Abschwungs ebenso verdoppelt würde. Obamas Plan, der den Staat nach seinen Angaben 75 Milliarden Dollar kosten würde, sieht zudem Hilfen für Hausbesitzer vor, denen die Kündigung ihrer Hypotheken droht. Die Bundesstaaten, die unter einem Rückgang der Steuereinnahmen zu leiden haben, würden ebenso unterstützt. Schließlich will Obama die Arbeitslosenversicherung ausweiten. (Reuters)

Gesundheit

Obama will die Steuersenkungen der Regierung Bush wieder zurücknehmen, um mit zusätzlichen Staatseinnahmen eine landesweite Krankenversicherung aufzubauen. Die Mitgliedschaft soll freiwillig sei, jeder soll zwischen staatlichem Versicherungsschutz und privater Absicherung wählen können. Allerdings: Der medizinische Schutz für Kinder soll auf jeden Fall ausgeweitet werden.

Clinton will dagegen eine Zwangsversicherung nach europäischem Vorbild, die alle Amerikaner erfassen soll. Die Kosten beziffert sie auf 110 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Finanzieren will sie ihre Reform, wie Obama, mit höheren Steuern für Besserverdienende. Experten favorisieren Clintons Reformpläne, weil sie konkreter und umfassender seien.

Illegale Einwanderung

Beide setzten auf eine Doppelstrategie: Mehr Geld und Personal für die Überwachung der Grenzen. Schlupflöcher sollen gestopft werden, im Namen der nationalen Sicherheit. An der Grenze zu Mexiko wird sichtbar, was das bedeutet: Der Grenzzaun wird auf 1.100 Kilometer verlängert, um illegale Einwanderer abzuhalten. Im Senat stimmten Obama und Clinton für das Projekt.

Teil zwei der Strategie: Alle illegalen Einwanderer sollen ein dauerhaftes Wohnrecht bekommen. Um sie "aus dem Schatten zu holen", wie Obama das nennt. Wer bleiben will, der muss sich aber verpflichten, Englischkurse zu belegen. Dazu kommt noch eine Geldstrafe.

Energie und Klima

In zentralen Punkten stimmen Obama und Clinton überein: Ein Emissionsrechtehandel soll eingeführt werden, um die Treibhausgase bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu senken. Zudem wollen beide alternative Energien fördern und die Energieeffizienz erhöhen. Obama sieht die zudem die Autofirmen in der Pflicht: Diese müssten grössere Anstregungen unternehmen um energiesparende Motoren zu entwickeln. Clinton wird dagegen mehr Verständnis für die Automobilindustrie nachgesagt, konkret geäußert hat sie sich zu diesem Thema allerdings noch nicht.

Iran

In der Außenpolitik verspricht Obama die Kurskorrektur nach acht Jahren Georg W. Bush. Nirgends wird dies deutlicher, als in seinen Überlegungen zur Iranpolitik. Während Bush Iran zu den Schurkenstaaten der "Achse des Bösen" zählt, setzt Obama auf Kooperation. Dafür will er sich persönlich einsetzen. Ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad könne er sich vorstellen. Denn er wolle als Präsident nicht nur mit Freunden, sondern auch mit den Feinden Amerikas sprechen, sagte er bei einer Debatte der demokratischen Kandidaten.

Hillary Clinton hält davon wenig. Mit den politischen Führern von Iran, Syrien oder auch Kuba an einem Tisch, ohne Vorbedingungen und diplomatischer Absicherung? Lediglich naive Gedankenspiele für Clinton. Ein Präsident könne sich darauf erst einlassen, wenn klar ist, was diese Staaten wirklich wollen, so Clinton. Im Fall Iran will sie zwar eine diplomatische Lösung, eine militärische Option will sie sich jedoch offenhalten.

Irak

Auch beim Thema Irak stimmen beide nicht überein. Obama weist immer wieder daraufhin, von Anfang an ein entschiedener Kriegsgegner gewesen zu sein. "Ich bin nicht gegen alle Kriege, ich bin gegen dumme Kriege", sagte Obama im Jahr 2002, als die Kriegs-Entscheidung im US-Senat anstand. Damals war Obama allerdings lediglich Mitglied des Senats in Illinios, hatte also nicht über die Irakpolitik abzustimmen. Obama verspricht heute, die amerikanischen Truppen 16 Monate nach seinem Amtsantritt nach Hause bringen zu wollen. Zum Schutz der amerikanischen Botschaft sollen jedoch einige Soldaten im Land bleiben. Und Obama lässt sich ein Hintertürchen offen: Bei Bedarf, etwa bei einem großen Anschlag der Terrororganisation al Kaida, würde er im Irak sogar zusätzliche Soldaten stationieren.

Hillary Clinton war 2002 für einen Militärschlag gegen den Irak. Sie stimmte im Senat für die Bewilligung der finanziellen Mittel - eine "Blankovollmacht" für Präsident Bush, in den Krieg zu ziehen. 2008, sechs Jahre später, sagt sie, dass sie sich heute anders entscheiden würde. Sie will sich im Gegensatz zu Obama mit dem Abzug der Truppen mehr Zeit lassen. Die meisten Soldaten sollen aber ihrem Plan zufolge bis Ende 2013 den Irak verlassen haben.

Beziehung zu Europa

Was ein Präsident Obama für Europa bedeuten würde, ist unklar. Zwar sitzt der Senator im Unterausschuss für Europa, doch bedeutende Reden, Initiativen oder einen regen Austausch mit den europäischen Verbündeten kann er nicht aufweisen. Auf der Website seiner Kampagne sucht man das Wort Europa vergebens. Stattdessen spricht er von neuen Partnerschaften mit asiatischen Ländern. Nur indirekt geht er auf die transatlantischen Beziehungen ein: Er wolle die anderen Nato-Staaten bewegen, sich künftig stärker bei internationalen Krisen zu engagieren. Dafür müssten auch die Entscheidungsstrukturen im westlichen Verteidigungsbündnis gestrafft werden, so Obama.

Clinton dagegen kennt viele europäische Spitzenpolitiker persönlich, als First Lady war sie mit Ehemann Bill oft in Europa zu Gast. Viele ihrer aussenpolitischen Berater gelten als europaorientiert, wie die ehemalige Aussenministerin Madeline Albright oder der ehemalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Richard Holbrooke. Allerdings hat sie sich noch nicht zu konkreten Zielen in der Europapolitik geäußert.