US-Wahlen Bloomberg erwägt offenbar Kandidatur

Von Thomas Götemann
Tut er es oder tut er es nicht? Die Anzeichen mehren sich, dass der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg in letzter Minute noch als unabhängiger Kandidat ins Rennen um das Weiße Haus gehen könnte. Geld hat der Multi-Milliardär genug - und wäre für beide Parteien eine echte Gefahr.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Die Zwei sind die US-Demokraten und ihre Konkurrenten von der republikanischen Partei. Der lachende Dritte könnte der amtierende New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, 65, sein. Schon seit Monaten gibt es Spekulation, ob der Milliardär als unabhängiger Kandidat in den US-Präsidentschaftswahlkampf einsteigen und damit das Feld der Bewerber ordentlich durcheinander wirbeln könnte.

Kandidatur erscheint immer wahrscheinlicher

Nun haben diese Spekulationen neue Nahrung erhalten: Bloomberg hat eine aufwendige Wähleranalyse in allen 50 US-Staaten in Auftrag gegeben.

Die Datensammlung begann zwar bereits vor Monaten, ist aber jetzt erst publik geworden. Das Ausmaß und die Ernsthaftigkeit dieser Arbeit gelten bei Beobachtern als wichtigster Hinweis auf einen möglichen Einstieg Bloombergs. Aus Kreisen seiner Berater verlautet, der Unternehmer erwäge eine Kandidatur um die US-Präsidentschaft als unabhängiger Kandidat.

Bloomberg will die Mitte besetzen

In den amerikanischen Medien wird jetzt über die Motive und Chancen einer möglichen Bloomberg-Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen diskutiert. Seine Heimatzeitung, die "New York Times", schreibt, Bloomberg habe als Bürgermeister zwar gezeigt, dass er etwas bewegen kann. Es seien aber einige Grundvoraussetzungen nötig, damit er reelle Chancen als Präsidentschaftskandidat habe. Für Bloomberg wäre es wichtig, so die "Times", dass Demokraten und Republikanern zwei polarisierende Kandidaten nominieren, die den Ruf nach einem Mann der Mitte wie ihm laut werden ließen. Genau das ist sein Kalkül. Angeblich hat er Freunden folgendes Szenario anvertraut: Falls die Demokraten Hillary Clinton aufstellen und die Republikaner einen strenggläubigen Konservativen wie etwa Mike Huckabee zum Kandidaten küren, würde er antreten - denn dann sei die politische Mitte offen.

Die "Washington Post" meint, dass die Wahlkampfstrategie des Iowa-Siegers der Demokraten, Barack Obama, Bloombergs Interessen zuwider laufe. Denn: Obama kämpfe für den Wechsel, für die Erneuerung Amerikas unter Einbindung aller politischer und gesellschaftlicher Kräfte. Das sei jedoch ähnlich dem, was Bloomberg vorhabe. Im Klartext: Eine Nominierung Obamas schmälert nach Einschätzung der "Post" Bloombergs Chancen.

Wer ist Michael Bloomberg?

Bloomberg war lange Jahre Parteigänger der Demokraten, verließ sie aber 2000, um als republikanischer Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von New York zu kandidieren. Mit Erfolg: 2001 löste er seinen Parteikollegen Rudolph Giuliani ab und wurde 2005 für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Dann dies: Am 19. Juni 2007 trat er offiziell aus der Republikanischen Partei aus und ließ sich als "Unabhängiger" registrieren. Seitdem spekulieren politische Beobachter darüber, ob Bloomberg sich zu Höherem berufen fühlt und bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren will.

Bloombergs Motive

Mit welchen zentralen Anliegen er als Präsidentschaftskandidat antreten würde, ließ Bloomberg erst kürzlich durchblicken. Bei einem Treffen von Demokraten und Republikanern an der Universität Oklahoma hatte der parteilose Politiker erklärt, das Lagerdenken im Zweiparteiensystem lähme den Fortschritt in den USA. Laut CNN sagte Bloomberg: "Die Regierung ist zerrüttet, es gibt kein Zusammenwirken und keine Geistesverwandtschaften. Es fehlt an Zusammenarbeit und dem Lass-uns-tun-was-gut-fürs-Land-ist. Es gibt kein Verantwortungsbewusstsein, keine Bereitschaft, den Fokus auf große Ideen zu richten." Auch am Abend der Iowa-Vorwahl Anfang Januar hatte Blomberg ähnlich argumentiert: In Washington habe man keine Lösungen für die dringendsten Probleme des Landes. Auch zu internationalen Themen hat sich Bloomberg in jüngster Zeit auffallend oft geäußert. So besuchte er die Klima-Konferenz in Bali, war als Redner auf einer UN-Konferenz in Indonesien und machte Zwischenstopp in China, um auch dort eine Rede an Pekings Akademie für Sozialwissenschaften zu halten. Dies ist nach Ansicht der Experten sehr ungewöhnlich für einen Bürgermeister.

Geld spielt keine Rolle

Dass Bloomberg über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, um in den teuersten Wahlkampf aller Zeiten einzusteigen, steht außer Frage. Sein Privatvermögen wird vom "Forbes"-Magazin auf 11,5 Milliarden Dollar geschätzt. Die "New York Times" zitiert eine vertrauliche Aussage des Multi-Milliardärs, nach der er 500 Millionen Dollar oder auch mehr für eine Kandidatur investieren würde. Die "Washington Post" schreibt, dass Bloomberg gewillt sei, tief in seine Brieftasche zu greifen.

Bis März will und muss sich der Polit-Profi entschieden haben. Die Gründe dafür liegen in den komplizierten gesetzlichen Bestimmungen zur Zulassung eines unabhängigen Kandidaten. Tut er es, dann könnte es zu einem Dreikampf der New Yorker kommen: Hillary Clinton als bisherige Senatorin für den Staat New York, der unabhängige Bloomberg als aktueller Bürgermeister der Stadt und Rudolph Giuliani als dessen Amtsvorgänger für die Republikaner.

Hohes Ansehen in New York, mäßige Wahlaussichten

Bloombergs Heimatpostille "New York Post" kommentiert das Hin-und-Her über eine mögliche Kandidatur mit der Überschrift "Schluss mit den Spielchen, Herr Bürgermeister" und moniert, dass Vize-Bürgermeister Kevin Sheekey im vergangenen Jahr die meiste Zeit damit zugebracht habe, den Gang Bloombergs nach Washington vorzubereiten. Für die New Yorker käme das Streben ihres Bürgermeisters nach Höherem nicht überraschend. Sie wüssten, schreibt die "New York Post", dass Bloombergs Ego nur unwesentlich schmaler als sein Bankkonto sei. Die Zeitung zitiert eine aktuellen Umfrage, nach der die überwiegende Mehrheit der New Yorker Bloombergs Leistungen als Bürgermeister hoch einschätzt und ihm den Job in Washington auch zutraut. Aber 58 % der Befragten würden ihn vermutlich nicht oder sicher nicht als Präsidentschaftskandidaten wählen. 61 Prozent sehen Bloomberg in der moralischen Pflicht, seinen Job für die Stadt und ihre Bürger zu Ende zu führen. Zu Ende ist er 2009 auf jeden Fall, denn mehr als zwei Amtszeiten darf Bloomberg nicht Bürgermeister sein.

Bloomberg selber lässt bisher keine Gelegenheit aus, seinen New Yorkern zu erzählen, wie großartig ihre Stadt sei. Der frühere Börsenhändler und Gründer des gleichnamigen Wirtschafts- und Informationsdienstes sagte immer wieder, dass er den besten Job der Welt habe und keine Ambitionen auf das Weiße Haus. Einem Fernsehreporter der CBS sagte er lächelnd ins Mikrofon, er äußere sich nur gelegentlich zu nationalen Fragen.

Historisch betrachtet ist das Kandidieren als Unabhängiger eine beinah aussichtslose Angelegenheit: Als letzter unabhängiger Kandidat wurde George Washington 1789 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Das wären großen Fußstapfen - selbst für einen wie Michael Bloomberg.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos