Im Fall einer Reise nach Nordkorea ist es einfacher, nicht die Verbote aufzulisten, sondern das, was erlaubt ist: Fotoapparate, Radios und Bücher nach Anmeldung. Seit neustem müssen auch Handys nicht mehr bei der Einreise abgegeben werden. Computer untersucht der Zoll zunächst auf "zweifelhafte" Dateien hin. Und das war wohl das Problem von Kenneth Bae. Offenbar wurde bei ihm zunächst nichts Verdächtiges gefunden, sonst wäre er wohl kaum in die Volksrepublik hineingekommen. Später aber will die nordkoreanische Polizei auf seinem Computer plötzlich auf "sensible Daten" gestoßen sein - sie mussten wohl bei seiner Reise entstanden sein.
So oder so ähnlich werden sich das die Behörden des Landes zusammengereimt haben. Und Kenneth Bae hätte das kommende Unglück erahnen können, denn er war nicht zum ersten Mal in dem isolierten Land. Was auch immer auf der Festplatte war, es reichte aus, um dem US-Bürger zu 15 Jahren Arbeitslager zu verurteilen. Der Obersten Gerichtshof in Pjöngjang jedenfalls verhandelte gegen ihn wegen "Verbrechen zum Sturz der Demokratischen Volksrepublik Korea". Er sei bereits in den niedrigeren Instanzen geständig gewesen, hieß es. Mehr ist nicht zu erfahren. Auch nicht für die US-Behörden.
Ein gängiger Haftgrund: missionieren
Der Fall des 44-jährigen Bae ist rätselhaft wie typisch für den Umgang des Regimes mit US-Bürgern. In den vergangenen drei Jahren wurden mehrere Amerikaner ins Gefängnis gesperrt, aber nach Verhandlungen mit US-Vertretern wieder freigelassen. Zuletzt hatte der koreanischstämmige Eddie Jun Yong Su das zweifelhafte Vergnügen, für ein halbes Jahr inhaftiert zu werden. 2009 brachte Ex-Präsident Bill Clinton die TV-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee nach Hause. Sie hatten bei einer Wanderung von China vermutlich versehentlich die Grenze zu Nordkorea überquert.
Ein gängiger Haftgrund ist "christliches Missionieren". Zwar galt die jetzige nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang lange als christliches Zentrum der koreanischen Halbinsel, die Diktatur aber behandelt vor allem Protestanten mittlerweile als Regimegegner. Nicht nur wegen ihrer mutmaßlichen Nähe zur Regierung in Washington, sondern auch deshalb, weil einige christliche Organisationen die wichtigsten Fluchthelfer für Nordkoreaner sind. Auch Kenneth Bae soll US-Medien zufolge Verbindungen zu einer Bewegung protestantischer Christen haben.
Reisen nach Nordkorea
Aus den "Empfehlungen" des Auswärtigen Amts für Touristen.
-Gegenstände des täglichen Bedarfs können eingeführt werden. Fotoapparate, Radios, ausländische Publikationen und Mobiltelefone sind bei der Einreise zu deklarieren. Computer werden auf Internet- und Telefoniefähigkeit untersucht, Computerdateien durchsucht.
-Tourismus nur als Gruppen- oder Individualreise, in jedem Fall mit ständiger Begleitung durch einen Dolmetscher, zugelassen. Alle Besuche außerhalb der Hauptstadt sind genehmigungspflichtig.
-Mehrfach kam es zu Übergriffen der Bevölkerung auf fotografierende Ausländer, die ohne die üblichen koreanische Begleiter in Pjöngjang zu Fuß unterwegs waren.
-Unkontrollierte Kontakte mit Einheimischen sind praktisch unmöglich und der Bevölkerung unter Strafandrohung untersagt.
-Ausländische Medien sind nicht erhältlich; Zugang zu ihnen ist Einheimischen untersagt. Internetverbindungen stehen Reisenden in der Regel nicht zur Verfügung.
-Eine Respektierung des herrschenden Personenkults wird erwartet.
Der Mann mit koreanischen Wurzeln, der eigentlich Pae Jun Ho heißt, hatte im vergangenen November zusammen mit einer Touristengruppe die Stadt Rajin in Nordkorea besucht. Bei seiner Einreise in die nördliche Hafenstadt Rason wurde er dann festgenommen. Die Sonderwirtschaftszone an der Grenze zu China gilt schon länger als "Einfallstor nach Nordkorea" für christliche Missionare. Ob Kenneth Bae dort tatsächlich missionieren wollte, ist unklar. Der südkoreanische Aktivist Do Hee Yoon vermutet, der Mann könnte festgenommen worden sein, weil er Fotos von abgemagerten nordkoreanischen Kindern gemacht habe, um für mehr Hilfe zu werben. Offiziell gibt Pjöngjang zwar zu, unter einem Lebensmittelengpass zu leiden, doch das wahre Ausmaß der Not verheimlicht das Regime beharrlich.
Kenneth Bae kam 1988 als Student in die USA. An der Universität von Oregon lebte er sich laut seinen Freunden schnell ein. Als gläubiger Christ habe sich um neuangekommene Landsleute gekümmert und sei auch in anderen Studenten- und humanitären Gruppen aktiv gewesen. Die Hochschule verließ er ohne Abschluss, weil er sich um seine Familie kümmern wollte. In den vergangenen Jahren sei er seinem besten Freund zufolge oft in Nordkorea gewesen. Ihm habe das Schicksal der dortigen zahllosen Waisenkinder am Herzen gelegen, sagte er. So gesehen wäre es nicht ungewöhnlich, wenn er Fotos von hungernden Straßenkindern gemacht hätte.
Wie hoch ist der Preis für seine Freilassung?
Wie es mit Bae nun weitergeht ist unklar. Die USA drängen darauf, dass er wieder freigelassen wird. So hat sich der frühere US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Bill Richardson, bereits Anfang des Jahres vergeblich für seinen Landsmann eingesetzt. Nun wiederholte das US-Außenministerium die Forderung. "Aus humanitären Gründen", wie ein Behördensprecher sagte. In der Vergangenheit wurden inhaftierte Amerikaner vom Regime in Pjöngjang als eine Art Faustpfand betrachtet. Angesichts der Drohungen Nordkoreas gegen den Süden und die USA dürfte der Preis für die Freilassung des 44-Jährigen hoch ausfallen.