Weltaidsbericht 2004 Infektionen nehmen auf allen Kontinenten zu

Das HI-Virus hat sich laut Weltaidsbericht 2004 so schnell verbreitet wie nie zuvor. Und die Zahl infizierter Frauen steigt schneller als die der Männer; Gewalt gegen das weibliche Geschlecht begünstige seine Ausbreitung.

Weltweit haben sich 4,9 Millionen Menschen im laufenden Jahr mit dem Aidsvirus neu infiziert, rund 100 000 mehr als im vergangenen Jahr. Das geht aus dem jüngsten Weltaidsbericht hervor, der am Dienstag in Brüssel und London veröffentlicht wurde. Die Zahl der infizierten Frauen steigt demnach noch schneller als die der Männer. Während vor sechs Jahren 41 Prozent der erwachsenen HIV-infizierten Frauen waren, sind es heute bereits 50 Prozent. Weltweit leben derzeit fast 40 Millionen Menschen mit dem Aidserreger, so viele wie noch nie.

Die meisten Frauen infizierten sich, weil sie keine Kontrolle über ihre sehr risikobereiten Partner haben, berichtete das Aidsbekämpfungsprogramm der Vereinten Nationen, UNAIDS. Zudem sei das Risiko, dass ein infizierter Mann beim Sex eine Frau anstecke, doppelt so hoch wie im umgekehrten Fall. Um Frauen und Kinder zu schützen, müssten ihre Rechte daher schnell und nachhaltig gestärkt werden. "Wenn wir eine realistische Chance gegen die Epidemie haben wollten, müssen wir die Gleichberechtigung der Geschlechter schaffen", sagte UNAIDS-Direktor Peter Piot.

"Ohne Gleichberechtigung kein Erfolg"

Gewalt gegen Frauen sei eine weltweite Geißel, die insbesondere in armen Ländern die Ausbreitung des Aidsvirus begünstige. In vielen Entwicklungsländern hätten Frauen und Mädchen einfach keine Chance, Sex abzulehnen oder auf Kondome zu bestehen. Und für Millionen von Frauen sei Sex zudem die einzige Verdienstmöglichkeit. Die Tatsache, dass Männer in vielen Beziehungen mehr Macht hätten, könne über Leben und Tod entscheiden, hieß es weiter. Gleichberechtigung durchzusetzen sei nicht einfach, solange das aber nicht gelinge, werde es im globalen Kampf gegen Aids keinen nachhaltigen Erfolg geben.

Ostasien habe in den vergangenen zwei Jahren den höchsten Anstieg von HIV-Infektionen bei Frauen registriert: 56 Prozent. Danach folgten Osteuropa und Mittelasien mit 48 Prozent. In der Karibik, der am meisten von Aids betroffenen Region nach dem Afrika südlich der Sahara, sei die Ansteckungsgefahr für junge Frauen doppelt so hoch wie für Männer.

Das habe unter anderem damit zu tun, dass das Virus insbesondere in Asien nicht mehr auf die Beziehungen zwischen Prostituierten und Freiern begrenzt sei. Vor zwölf Jahren zum Beispiel hätten in Thailand 90 Prozent der HIV-Übertragungen in den Bordellen stattgefunden. Inzwischen seien die Hälfte der Ansteckungen Ehefrauen, die von ihren Männern infiziert werden, die bei Prostituierten waren, hieß es. UNAIDS folgerte daraus, dass es in vielen Ländern der Welt nicht mehr helfe, die Bedeutung von Ehe und langfristigen monogamen Paarbeziehungen zu betonen. Diesen Ansatz verfolgt etwa das amerikanische Anti-Aids-Programm.

UNICEF-Aufruf gegen Gewalt und Diskriminierung

Auch das UN-Kinderhilfswerk UNICEF hat massive Menschenrechtsverletzungen gegen Mädchen in vielen Teilen der Welt angeprangert. "Weltweit fehlen schätzungsweise 60 Millionen Frauen, weil weibliche Föten gezielt abgetrieben, Mädchen als Babys getötet oder so schlecht versorgt werden, dass sie nicht überleben", berichtete UNICEF am Montag in Berlin. "Als Mädchen geboren zu werden, kommt vielfach einem Todesurteil gleich", erklärte die Schauspielerin Katja Riemann, die UNICEF-Projekte in Rumänien, Moldawien und im Senegal besucht hat.

Auf einer Konferenz unter dem Titel "Mädchen stark machen", die das Kinderhilfswerk gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung ausrichtete, appellierten die Teilnehmer an alle Verantwortlichen, wirksamer gegen Gewalt und Diskriminierung vorzugehen. "Wir rufen dazu auf, Mädchen stark zu machen, um Diskriminierung und Benachteiligung endlich zu durchbrechen", erklärte ARD-Moderatorin Bärbel Schäfer, die UNICEF-Projekte für Mädchenbildung in Nepal unterstützt.

Besonders ausgeprägt ist die Diskriminierung nach Angaben des Kinderhilfswerks in Asien: "Jedes Jahr sterben allein in Südasien rund eine Million Mädchen kurz nach der Geburt oder in den ersten Lebensjahren", heißt es in einer Erklärung. In Pakistan seien allein 2002 mehr als 450 Frauen bei so genannten Morden aus Ehre von ihrer eigenen Familie umgebracht worden.

In Indien werde alle sechs Stunden eine jung verheiratete Frau lebendig verbrannt, totgeschlagen oder zum Selbstmord getrieben, weil sich die Familien über die Mitgift stritten. In Bangladesch seien in den vergangenen vier Jahren mindestens 1.156 Mädchen und Frauen von Männern mit Batteriesäure überschüttet worden. In Südafrika seien Vergewaltigungen an der Tagesordnung, jede dritte Frau werde zum Opfer.

"Millionen Frauen leben in einem Gefängnis aus Armut, traditioneller Benachteiligung und Machismo", sagte Esther Guluma, UNICEF-Generaldirektorin für Südasien. "Die Regierungen müssen allem Mädchen die Chance geben, zur Schule zu gehen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen."

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