St. Petersburg Putin irritiert mit "Patriot-Abschüssen" und beleidigt Selenskyj als "Schande für das jüdische Volk"

Wladimir Putin St. Petersburg
Wladimir Putin auf den Wirtschaftsforum in St. Petersburg
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Wladimir Putin schert sich immer weniger darum, was Russland unfreundlich gesinnte Staaten über ihn denken. Auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg äußerte er sich abfällig über Rüstungskontrolle und beschimpfte Wolodymyr Selenskyj antisemitisch.

Innerhalb von drei Tagen ist Wladimir Putin erneut öffentlich aufgetreten und erneut ist er dabei mit irritierenden Äußerungen aufgefallen. Bizarr waren etwa die Details zu angeblichen Verlusten der Ukrainer: Auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg behauptete der Kremlchef, das russische Militär habe "fünf Patriot-Systeme zerstört". Doch die Ukraine besitzt nur zwei solcher Systeme, eines davon stammt aus Deutschland. Wie schon nach seinem Treffen mit Militärbloggern und Kriegsbefürwortern am Mittwoch, fragten sich viele Beobachter, ob der russische Präsident schlecht informiert sei, den Bezug zur Realität verloren habe, provoziere oder einfach nur lüge.

Russland: Falschaussagen und Übertreibungen

Letzteres wäre zumindest in Kriegszeiten nicht ungewöhnlich, auch wenn Russland seit Beginn der Invasion besonders durch militärische Falschaussagen oder Übertreibungen auffällt. So gesehen ist auch Putins Aussage mit größter Vorsicht zu genießen, nach der die Gegenoffensive der Ukraine "an keinem Abschnitt ihre Ziele erreicht" habe. Aus Kiew heißt es dagegen, es seien kleinere Geländegewinne erzielt worden, was auch auch von internationalen Beobachtern so gesehen wird. Allerdings ist es noch zu früh, um über Erfolg oder Misserfolg der langerwarteten Gegenoffensive zu urteilen.

Ebenfalls Aufmerksamkeit erregte Putin mit seinen Drohungen über den möglichen Einsatz von F-16-Kampfjets: Sollten die Maschinen außerhalb der Ukraine stationiert sein, dann werde die russische Seite "schauen, wie und wo wir diese Mittel zerstören", sagte der Kremlchef. Wenig später ruderte sein Sprecher Dmitri Peskow aber zurück und erklärte, Russland werde die Jets im Falle ihrer Lieferung auf ukrainischem Staatsgebiet angreifen.

"Scheiß drauf, verstehen Sie, wie man bei uns sagt"

Mit derben Worten kommentierte Putin den Stand zur nuklearen Rüstungskontrolle: "Wir haben mehr solcher Waffen als die Nato-Länder", sagte der russische Präsident. "Sie wissen das und drängen uns die ganze Zeit dazu, dass wir Gespräche über Reduzierungen anfangen", meinte der Kremlchef weiter - und fügte dann hinzu: "Scheiß drauf, verstehen Sie, wie man bei uns im Volk sagt." Auch hier musste Kremlsprecher Peskow die Aussagen relativieren: "Russland ist bereit, Verhandlungen zu führen", versicherte er.

Regelrecht ausfällig äußerte er sich Wolodymyr Selenskyj: "Ich habe viele jüdische Freunde, seit meiner Kindheit. Sie sagen: 'Selenskyj ist kein Jude. Das ist eine Schande für das jüdische Volk'." Aus dem Publikum, wo unter anderem viele kremltreue Politiker sowie die Chefs mehrerer völkerrechtswidrig annektierter ukrainischer Gebiete saßen, erntete er für diese Aussage Beifall. Moskau rechtfertigt seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland immer wieder mit der Propaganda-Behauptung, man müsse die Ukraine von angeblichen "Neonazis" befreien. Solche Aussagen sorgen international auch deshalb für großes Entsetzen, weil Selenskyj jüdischer Abstammung ist.

"Genozid" am ukrainischen Volk

Unter den vielen Tausend Opfern russischer Angriffe in der Ukraine sind nachgewiesenermaßen auch mehrfach Holocaust-Überlebende gewesen. Angesichts von schlimmsten Gräueltaten wie der Ermordung Hunderter Zivilisten in Butscha ist darüber hinaus immer wieder von einem russischen "Genozid" am ukrainischen Volk die Rede.

Quellen: DPA, AFP, "Kyiv Independent" auf Twitter

nik

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